Neukölln, der Stadtteil im Süden von Berlin, ist zum Synonym für die Heimat der verlorenen Schicht geworden. Wer den Deutschtürken Tarkan Karaalioglu durch den Alltag begleitet, ahnt, dass sich daran trotz aller Mühen der Politik wenig ändern wird.
Gestern war es wieder so weit. Einer, dessen Name auf die zwei Buchstaben TO geschrumpft ist, hatte Tarkan Karaalioglu beleidigt. Er hatte seine Ehre beschmutzt. TO hatte seine Buchstaben über die von Karaalioglu gesprüht, an der braunen Wand neben dem „Video World“, am Hertzbergplatz, der Karaalioglus Revier ist. Karaalioglu heißt hier nur Mok, ein Kampfname, der so viel bedeutet wie „My own Kingdom“ – „Mein eigenes Königreich“.
Karaalioglu gab sich diesen Titel, als er noch jung war und zu einem der Herrscher von Neukölln aufsteigen wollte. Heute ist Karaalioglu 33. Die Ecke neben dem Video World ist seine letzte Festung. Wenn sich hier ein anderer breitmacht, ist Karaalioglu ausgelöscht, weg, nicht mehr existent. Deshalb, sagt Karaalioglu, hat er sich TO zur Brust genommen. „Du stellst mir bis morgen 100 Dosen Farbe vor die Tür“, hat Karaalioglu zu TO gesagt, „oder ich reiße dir den Kopf ab“. 300 Euro würden die 100 Dosen Farbe kosten. „300 Euro“, sagt Karaalioglu, „ist immer noch billiger als für 10 000 Euro Schaden im Gesicht, besser als Nase zertrümmert, Zähne eingeschlagen, Trommelfell geplatzt“. (more…)