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Durch Gebet und Wort für verfolgte Kopten

Irakischer Erzbischof: Situation der Christen im Irak ist dramatisch 17. Februar 2011

Filed under: Christenverfolgung — Knecht Christi @ 22:46

Uniert-katholischer Erzbischof Louis Sako bittet in Wien um konkrete Hilfe – Sako ist bereit zum Martyrium: ‚ich würde den Islamisten vergeben, wie Jesus seinen Folterknechten vergeben hat, weil ich überzeugt bin, dass Gott auch die Muslime liebt‘.

Wien (kath.net/PEW): Die Christen im Irak wünschen sich mehr Solidaritätsbesuche aus Europa, betonte der chaldäisch-katholische Erzbischof von Kirkuk, Louis Sako, bei einem Journalistengespräch im Wiener „Club Stephansplatz 4“.  Erzbischof Sako machte auf der Rückreise in den Irak kurze Zwischenstation in Wien, wo er mit Kardinal Christoph Schönborn – und auch mit „Pro Oriente“-Präsident Hans Marte – zusammentraf und am Dienstagabend mit den in Wien lebenden Christen aus dem Irak einen Gottesdienst feierte. Allzu oft werde vor den Risken einer Reise in den Irak zurückgeschreckt, „aber das Leben ist immer voller Risken und immer ein Abenteuer“, sagte der Erzbischof. Solidarität dürfe nicht nur ein Wort sein, es gehe auch um Taten. Deshalb sei er auch sehr dankbar für die Solidaritätsbesuche des Wiener Weihbischofs Franz Scharl und von „Pro Oriente“-Präsident Hans Marte. „Wenn Christen aus aller Welt zu uns in den Irak kommen, dann stärken sie uns moralisch, menschlich und spirituell“, so der Erzbischof von Kirkuk.

 

In dem Journalistengespräch formulierte Sako ein bewegendes Bekenntnis: „Vor drei Tagen, als ich in Italien war, habe ich gehört, dass in meiner Stadt, in Kirkuk, ein Christ entführt worden ist. Da habe ich in der Nacht zwei Sätze niedergeschrieben: Ich bin jetzt wahrhaft bereit, wenn es mich trifft und ich würde den Islamisten vergeben, wie Jesus seinen Folterknechten vergeben hat, weil ich überzeugt bin, dass Gott auch die Muslime liebt“. Ein Bischof dürfe keine Angst haben, betonte der irakische Theologe, der auch Berater des Päpstlichen Rates für den Interreligiösen Dialog ist, sonst habe er seine Berufung verfehlt.

 

Der Erzbischof der nordirakischen Erdölmetropole erinnerte daran, dass in den letzten Jahren im Irak fast 1.000 Christen getötet wurden, darunter ein Bischof und fünf Priester; 52 Kirchen seien attackiert worden. Der Exodus der Christen daure an, die Leute seien voll Angst. Trotzdem sei es notwendig, den Christen in erster Linie so zu helfen, dass sie im Irak bleiben können. Es gebe einige Leute, die den Irak unbedingt verlassen müssen, weil sie aktuell bedroht seien, aber im Übrigen solle man die Christen ermutigen, im Land zu bleiben.

 

Seit 60 Jahren gebe es im ganzen Nahen Osten eine Tendenz der „Islamisierung“, die den Christen das Leben schwer mache, betonte Sako. Die Christen hätten das Gefühl, entweder zur Flucht gedrängt oder auf den Status von „Bürgern zweiter Klasse“ nach dem ursprünglichen islamischen Konzept der „Dhimmi“ (Schutzbefohlenen) zurückgestuft zu werden. Auch die neue Demokratiebewegung in Nordafrika sei für die Christen „voll von Unbekannten“. Es sei notwendig, die Dinge nicht „sentimental oder oberflächlich“ zu betrachten. Es gehe darum, den Menschen im Nahen Osten das eigentliche Konzept der Demokratie nahezubringen. Demokratie dürfe zum Beispiel nicht die „Herrschaft der Mehrheit über die Minderheiten“ bedeuten. Es gehe darum, den jeweils anderen wirklich zu respektieren.

 

Erzbischof Sako ließ zugleich keinen Zweifel daran, dass es für die orientalischen Christen oft erschreckend sei, dass es im Europa von heute einen „aggressiven Säkularismus“ gebe: „Wir können zum Beispiel nicht verstehen, dass in einem EU-Kalender die wichtigsten christlichen Feiertage nicht genannt werden“. Die Christen sollten überall respektiert werden, so der Erzbischof.

 

Im Irak seien es neben der mangelnden Sicherheit im Land auch wirtschaftliche Gründe, die die Christen zum Auswandern bewegen, betonte Sako. In den Dörfern im Norden des Irak, in die zahlreiche Christen aus den Städten geflohen sind, gebe es zu wenig Arbeitsplätze oder Infrastrukturen. Daher würden manche Christen diese Region wieder verlassen. Allerdings fürchteten sie sich gleichzeitig vor einer Rückkehr in die großen Städte, wie etwa nach Mossul. Es sei wichtig, Flüchtlinge zu ermutigen, ihre Heimat nicht zu vergessen und sobald es möglich ist, zurückzugehen: „Es wäre eine Katastrophe, wenn zum Beispiel in Mossul, wo die ältesten Kirchen der Christenheit stehen, keine Christen mehr leben würden“.

 

Louis Sako hat in Rom und Paris studiert und promovierte in den Fächern Patristik und Religionsgeschichte in Rom; ein Studium der Islamwissenschaft schloss er mit dem Lizentiat ab. Er spricht mehr als zehn Sprachen und wurde 1974 zum Priester geweiht. Im Jahr 2002 wurde er zum Erzbischof von Kirkuk gewählt. 2003 wurde Sako durch seinen Vorgänger Erzbischof André Sana zum Bischof geweiht; Mitkonsekratoren waren Shlemon Warduni, Weihbischof in Bagdad, und Paulos Faraj Rahho, der 2008 ermordete chaldäisch-katholische Erzbischof von Mossul.

 

Das Christentum ist im heutigen Irak seit apostolischer Zeit präsent. Über das Ende des ersten Jahrtausends hinaus dürften die Christen überall im Zweistromland in der Mehrheit gewesen sein. Die ursprüngliche persische Hauptstadt Seleukia-Ctesiphon (später Bagdad) war Sitz des Katholikos-Patriarchen der Apostolischen Kirche des Ostens, deren Missionstätigkeit Persien, Indien, Zentralasien, China, Japan umfasste. Ein Teil der Apostolischen Kirche des Ostens trat ab dem 16./17. Jahrhundert in volle Kirchengemeinschaft mit Rom und bildet seither die chaldäisch-katholische Kirche. Die Christen im Irak bewahren viele Traditionen der Urkirche.

 

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