kopten ohne grenzen

Durch Gebet und Wort für verfolgte Kopten

Atheismus in muslimischen Ländern 30. Oktober 2010

Filed under: Pater Zakaria & co. — Knecht Christi @ 03:50

Online ohne Allah: Das internationale Netzwerk arabischer Atheisten hat regen Zulauf. Sie streiten mit Muslimen und wehren sich gegen den elektronischen Dschihad. Sie wollen einen Sieg der Toleranz.

 

Ein letzter, feiner Kitzel von Tabubruch mag dabei sein, wenn deutsche Zeitungen den Papst als fehlbar bezeichnen. Doch für Christen ist es keine Grenzüberschreitung mehr, das religiöse Leben zu kritisieren. Ganz anders in der islamischen Welt. Hier reichen die fünf Worte „Ich glaube nicht an Gott“. Wer sie laut ausspricht, wird womöglich von der eigenen Familie verstoßen, verliert seinen Job, ja gerät in Lebensgefahr. Gegen das Bekenntnis zum Atheismus ist selbst ein Coming-out (eines Homosexuellen) vergleichsweise harmlos, obwohl die islamischen Länder nicht eben für ihre Schwulenfreundlichkeit bekannt sind. Es (die Abkehr vom Islam) ist das schärfste aller Tabus, und genau darauf zielt eine Gruppe junger Nerds (Außenseiter, Intellektueller) mit dem „Forum arabischer Atheisten“, einer Webseite, die trotz großer Risiken für Meinungsfreiheit kämpft. Die Freidenker, die sich hier verbünden, müssen erst noch eine eigene Geistestradition begründen, das macht schon der Name ihrer arabischsprachigen Seite deutlich: „el7ad.com“ ist eine lautliche Umschrift für „ilhad“, das Wort für „Atheismus“, in dem immer auch die religiöse Konnotation (Bedeutung) „Irrglaube, Ketzerei“ mitschwingt.

Trotz der Gefahr, als „Ketzer“ aus der Gesellschaft zu fallen, suchen die anonymen Diskussionsteilnehmer ein Gespräch jenseits der Dogmen. Sie sind das exakte Gegenbild zum Typus des glaubensfanatischen Morgenländers (Araber), der hierzulande durch die Debatten geistert. Statt arabischer Terroristen also arabische Atheisten, deren Waffe das freie Wort ist. Sie streiten offen über Politik, Wirtschaft, Kunst und entlarven die Rede von der „unüberwindlichen Kluft zwischen Orient und Okzident“ als tumbe Kulturkampf-Phrase. Sie sind ein internationaler Debattierklub mit mittlerweile 15.000 eingetragenen Mitgliedern weltweit, die keinen Glauben mehr, aber eschatologische Fragen (wie z. B. das Leben nach dem Tod) haben und oft ganz ähnlich über die letzten Dinge räsonieren wie die Philosophen des Abendlandes.

„Was ist der Sinn des Lebens?“, schreibt ein User. „Religionen gaukeln uns doch etwas vor. Das menschliche Leben ist, für sich genommen, leer, wenn wir es nicht selbst mit Sinn füllen.“ Darauf ergeht die existenzialistische Antwort: „Das Leben bleibt so oder so sinnlos“. Soll heißen, wir müssen uns mit der Absurdität unserer Existenz abfinden. Camus und Sartre erleben hier, unterm Druck religiöser Denkverbote, ihre arabische Wiedergeburt.

Hinter dem Projekt steckt ein länderübergreifendes Team, das sich im Internet kennengelernt hat und die Seite seit fünf Jahren gemeinsam betreibt. Der Initiator heißt Mohamed, ist Ägypter und lebt heute in Berlin. Außerdem gehören noch ein Mann aus Jordanien sowie zwei weitere Betreiber aus arabischen Ländern dazu, die nicht genannt werden sollen. Denn Atheismus gilt als Apostasie, als Abfall vom Glauben, worauf im islamischen Recht die Todesstrafe steht. Zwar haben sich die meisten islamischen Länder von dieser koranbezogenen Rechtsprechung distanziert. Todesurteile sind nur in Ländern wie Saudi-Arabien oder Iran denkbar, und verhängt werden sie selbst dort nur in Ausnahmefällen. Trotzdem schweben Apostaten auch in jenen Staaten, die als verwestlicht gelten, in ernster Gefahr. Für Ägypten etwa erlangte der Fall des Universitätsdozenten Nasr Hamid Abu Zaid [1] traurige Popularität. Abu Zaid trat für eine literaturkritische Auslegung des Korans ein, was ihm als Ketzerei ausgelegt wurde, da der Koran als Gottes unverfälschtes Wort gilt. Per Gerichtsverfahren wurde Abu Zaid 1995 von seiner Frau zwangsgeschieden und erhält noch heute, im holländischen Exil, Morddrohungen.

{[1] Nasr Hamid Abu Zaid (auch Abu Zayd geschrieben) wurde 1943 in Quhafa bei Tanta, Ägypten, geboren. Nach einer technischen Ausbildung arbeitete er in der National Communications Organization in Kairo. Gleichzeitig begann er das Studium der Arabistik an der Universität Kairo (BA 1972). Es folgten der Magister (1977) und die Promotion (1981) in Islamwissenschaft, jeweils mit Arbeiten zur Interpretation des Koran. Im Anschluss an die Promotion nahm er am dortigen Institut für arabische Sprache und Literatur seine Lehrtätigkeit auf, zuerst als Lehrbeauftragter, seit 1982 als Assistenzprofessor und ab 1987 als außerordentlicher Professor. Seine kritischen Analysen des Koran, in denen er diesen auf dem Hintergrund seiner Entstehungszeit interpretiert, führten zu heftigen öffentlichen Diskussionen und letztlich zum Vorwurf, ein Apostat, das heißt ein vom Islam Abgefallener (Murtadd) zu sein, was 1995 die Ablehnung seiner Ernennung zum ordentlichen Professor und die Zwangsscheidung von seiner Frau, der Romanistikdozentin Ibtihal Yunis, zur Folge hatte}.

Konservative islamische Gelehrte versuchten, ihn als Apostat anzuklagen. Da dies nach ägyptischem Strafrecht nicht zulässig ist und bei einem Universitätsprofessor in der Hauptstadt auch nicht durchsetzbar war, wurde ein juristischer Trick angewandt. Das Ehe- und Scheidungsrecht wird in Ägypten von religiösen Gerichten verhandelt. Für Muslime gilt dabei die Scharia. Daher wurde vor einem Ehegericht die Annullierung der Ehe von Abu Zaid mit der Begründung beantragt, eine Muslimin dürfe nach der Schariaa nur mit einem Muslim verheiratet sein. Wenn aber Abu Zaid durch Abfall kein Muslim mehr sein sollte, dürfte seine Frau nicht mehr mit ihm verheiratet sein. Das Gericht ließ sich auf dieses Vorgehen ein, traf eine Feststellung über die Apostasie von Abu Zaid und erklärte die Ehe für ungültig.

Aufgrund des Verfahrens und der damit verbundenen Publizität erhielt Abu Zaid zahlreiche Morddrohungen. Seitdem lebt er im niederländischen Exil. Er lehrte zunächst als Gastprofessor Islamwissenschaft an der Universität Leiden. Seit 2004 hat er den Ibn-Rushd-Lehrstuhl für Humanismus und Islam an der Universität für Humanistik in Utrecht inne. Im Jahr 2005 erhielt er den Ibn-Ruschd-Preis für Freies Denken, Berlin. (Quelle: Nasr Hamid Abu Zaid: de.wikipedia.org)

Wie schön ist es doch, von solchen klugen und mutigen Menschen zu erfahren. Sie ermutigen einen immer wieder, seine Arbeit gegen den barbarischen Islam fortzusetzen. An dieser Stelle möchte ich euch auf einen anderen ägyptischen islamkritischen Professor aufmerksam machen, nämlich auf Mark Gabriel (er hat sich aus Sicherheitsgründen dieses Pseudonym zugelegt, allein dies sagt alles über den Islam aus). Mark A. Gabriel, ehemals Professor für islamische Geschichte an der Al-Azhar Universität in Kairo, erging es ebenso wie Nasr Hamid Abu Zaid. Auch er musste um sein Leben fürchten und flüchtete aus Ägypten. Im Islam ist eben kein kritisches Denken gefragt. Darauf steht die Todesstrafe. Mark Gabriel beschreibt seine Erlebnisse ausführlich in seinem Buch „Islam und Terrorismus“. Ich kann euch sehr empfehlen, einmal die Zitate aus seinem Buch „Islam und Terrorismus“ zu lesen.

Wer angesichts dieser Lage ein Netzwerk für Gotteszweifler betreibt, ist nicht nur mutig, sondern Avantgarde. Allerdings herrscht auf el7ad.com keine Kampfesstimmung, sondern ein starker Friedenswille. Der immense Druck, öffentlich nicht vom Islam abzuweichen, soll nicht in einseitige Schelte gegen Gläubige münden. „Wir sind eine Gruppe von Atheisten, die nach Meinungsfreiheit streben“, heißt es in einer Präambel der Seite, „viele glauben fälschlicherweise, wir seien Feinde der Religion. Dabei wollen wir niemandem unsere Ansicht, dass Gott nicht existiert, aufzwingen. Wir glauben an Frieden.“ Solche Spielregeln haben die Betreiber gleich zu Anfang formuliert. Denn das Forum ebenso wie sein Gründer will mit der muslimischen Welt in Kontakt bleiben.

Mohamed sitzt in seiner Zweizimmerwohnung in Berlin, in einem düsteren Wohnraum, voll gestapelt mit Festplatten. Der Informatiker hat auch Theaterwissenschaften und BWL studiert. Seine Überzeugung, dass es keine Seele und keinen Gott gibt, sondern nur Bewegungen von Molekülen, hat sich über Jahre aufgebaut. Als Jugendlicher war es selbst noch gläubig, bis heute betört ihn die sprachliche Schönheit des Korans, den er, ganz unironisch, sein „Lieblingsbuch“ nennt. Er kann Muslime verstehen, weil er selbst einer war, doch Vorschriften, was er zu glauben habe, lässt er sich nicht mehr machen.

„Meine Familie ahnt, dass ich nicht an Gott glaube. Aber wir schweigen“: Einen echten Bekennerakt als Gotteszweifler, außerhalb des Internets, wagte er vor Jahren gegenüber seinem Onkel, einem belesenen und weltoffenen Muslim. Mohamed erklärte damals, er halte den Propheten, dessen Namen er trägt, für einen „großen Sozialreformer“, allerdings habe der als Politiker „etwas von einem Machiavelli“ [2]. Dieser wohlbedachte Satz kippte sofort das Gespräch. Der Onkel brach den Kontakt für Jahre ab. {[2] Niccolo Machiavelli (1469-1527) war ein italienischer Politiker, Diplomat, Philosoph, Geschichtsschreiber und Dichter. Sein Name wird heute mit rücksichtsloser Machtpolitik unter Ausnutzung aller Mittel verbunden. Der später geprägte Begriff „Machiavellismus“ wird daher oft als abwertende Beschreibung eines politischen Verhaltens gebraucht, das raffiniert, aber ohne ethische Einflüsse von Moral und Sittlichkeit die eigene Macht und das eigene Wohl als Ziel sieht}.

Mohameds Courage, eine revolutionäre Internetseite zu gründen, fällt nicht zufällig mit dem neuen Selbstbewusstsein vieler arabischer Jugendlicher zusammen. Sie sind beflügelt von der Chance grenzenloser Kommunikation und lieben die virtuelle Welt, in der Blogs als realpolitische Waffe dienen. Das Beispiel Kairo zeigt, an wie vielen Stellen die Stimmung brodelt: Dort wird nicht nur eine permanente Onlineradiosendung zum Tabuthema „Scheidung auf Initiative der Frau“ produziert; dort bloggen Anhänger der Minderheitsreligion der Bahai über Diskriminierung im Alltag; dort sorgten Handyvideos von Folterszenen für die spektakuläre Entlassung eines Polizisten, und das im Polizeistaat Ägypten! Regelmäßig zieht die Jugend durch Kairos Straßen, Banner schwenkend, Sprechchöre schmetternd. Ein Aufbruch ist spürbar. Und doch müssen selbst unter Bloggerkollegen die Atheisten inkognito bleiben. {Quelle: Atheismus in muslimischen Ländern: http://www.zeit.de}

 

2 Responses to “Atheismus in muslimischen Ländern”

  1. bazillus Says:

    Der Atheismus entspringt letztlich aus allen autoritären Kontrollsystemen aller Religionen. Je mehr die Religion kontrolliert, umso mehr wehren sich die Menschen dagegen, teilweise zu Recht.

    Niemandem darf und kann es verwehrt werden, sich öffentlich zum Atheismus zu bekennen. Das ist ein uneinschränkbarer Willensakt der Freiheit und gehört mit Recht zu den Menschenrechten.

    Ein Gutes hat die Globalisierung in technischer Hinsicht doch gebracht: Das Internet. Jetzt können sich nicht nur religiöse Fanatiker, sondern auch moderate Religiöse und eben Atheisten miteinander vernetzen und Netzwerke aufbauen, Meinungen austauschen, was vorher nie möglich war. Je mehr von den Gräueltaten des muslimischen Führungsduos an die Öffentlichkeit, auch an die muslimische Öffentlichkeit gelangt, umso mehr geraten die Menschen ans selbstständige Denken. Und genau das ist es, welches jeder Religion und jeder Form des Atheismus zugute kommt. Die Erkenntnis, dass wir keine Vorbilder brauchen, die mit Gewalt ihren Glauben verkünden wie der Islam heute, aber auch wie die kath. Kirche in der Vergangenheit, müsste sich auf allen religiösen Ebenen durchsetzen.

  2. schreibtmit Says:

    Er kann Muslime verstehen, weil er selbst einer war, doch Vorschriften, was er zu glauben habe, lässt er sich nicht mehr machen.

    Ist der nun ein besserer Mensch?


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