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Durch Gebet und Wort für verfolgte Kopten

Die Logik des Grauens 8. September 2011

Filed under: Islamischer Terror — Knecht Christi @ 11:51

Hamburger Lektionen – 29/09/08: Der Filmemacher Romuald Karmakar zeigt Predigten des Imams Fazazi, den auch drei der Attentäter vom September 2001 kannten. Karmakar fügt nichts hinzu, der Text selbst ist zum Fürchten.

 

Predigen für die Weltherrschaft des Islams: In Romuald Karmakars Dokumentarfilm „Hamburger Lektionen“ sehen wir gut zwei Stunden lang Zapatka zu, wie er zwei Lektionen des militant-islamischen Imams Mohammed Fazazi vorträgt. Beide Texte hatte Fazazi 2000 in der Al-Quds-Moschee, einer Hinterhof-Moschee in Hamburg, vorgetragen, unterbrochen von Fragen des Publikums. Verhandelt wird ein breites Spektrum – von theologischen Erwägungen, etwa wann genau der Ramadan beginnt, bis zu detaillierten Betrachtungen, etwa ob es Ausnahmesituationen gibt, in denen eine Muslimin alleine reisen darf.

 

Fazazi bekennt sich zum Salafismus, einer puristischen Bewegung im Islam, die einen fiktiven „Ur-Islam“ für sich reklamiert. Innerhalb dieser fundamentalistischen Richtung zählt er zu der Minderheit, die auf Gewalt setzt. Besonders interessant an seinen Lektionen ist, wie Fazazi seine äußerst konservative, wortgläubige theologische Koranexegese mit geistiger Brandstiftung verwebt. So diskutiert er lange die Frage, ob es erlaubt sei, Pässe zu fälschen oder Ungläubige zu bestehlen. Seine Conclusio ist – nach langwierigen Abwägungen – stets, dass gegen Ungläubige (und damit gegen fast alle, die seiner Koraninterpretation nicht Folge leisten) letztlich alles erlaubt ist. So rechtfertigt Mohammed Fazazi auch Attentate auf Kinder, die den Islam beschmutzt haben, und auf Zivilisten im Westen – die als Wähler in einer Demokratie islamfeindliche Regierungen mit Legitimität ausgestattet hätten.

 

Mohammed Fazazi buchstabiert damit einen totalitären Diskurs. Nach innen, an den einzelnen Gläubigen gerichtet, enthält der Koran Vorschriften, wie man zu leben hat. Nach außen ist er eine Kriegserklärung, wobei dieser Krieg ausschließlich nach eigenen, aus dem Koran abgeleiteten Kriterien geführt werden soll. Fazazis Utopie ist, so der Regisseur Karmakar, „die Errichtung eines globalen Kalifats, also die Weltherrschaft des Islams in der rigiden, salafistischen Deutung, die er vertritt.“ Damit transformiert er das Gefühl, vom Westen dominiert und unterdrückt zu werden, in eine künftige Machtperspektive. Karmakar: „Das ist eine sinnstiftende Idee. Es ist ein Projekt, das größer ist als das Leben der Individuen. Es ist ein wasserdichtes Utopie-Projekt, in dem außerdem definiert wird, wie man alltäglich zu leben hat. Ein Allinclusive-Angebot“.

 

Fazazi wurde inzwischen in Marokko wegen der Unterstützung von Terroranschlägen zu langjähriger Haft verurteilt. Sein Hamburger Auftritt, der auf Video als Agitprop-Material verwendet wurde, ist besonders brisant, weil auch drei Attentäter vom 11. September 2001 Besucher der Hamburger Al-Quds-Moschee waren und Fazazi kannten. Vieles an dem Text wird dem deutschen Publikum fremd scheinen – aber er ist ein Dokument aus Deutschland. Zudem klingt seine innere Logik bei genauem Zuhören auch für westliche Ohren durchaus vertraut.

 

Ästhetische Reduktion auf den Text: Bereits in „Das Himmler-Projekt“ (2000) hat Karmakar so gearbeitet wie hier. Damals trug Manfred Zapatka Heinrich Himmlers berüchtigte Posener Rede vor, einer der wenigen Texte, in denen ein führender Nazi den Mord an den Juden selbst beschrieb. In „Das Himmler-Projekt“ legten Karmarkar und Zapatka die Tiefenschichten dieser Rede frei. So konnte man dort auf Augenhöhe erfahren, wie ein führender Nazi sich 1943 angesichts der drohenden Niederlage Deutschlands die Weltlage zurechtrückte, und dass es bei der SS manchmal auch nicht anders zuging als bei der Hauptversammlung einer Aktiengesellschaft. Karmakars entschiedene ästhetische Reduktion auf einen Text und seinen Vorleser öffnet hier wie dort den Blick – oder genauer gesagt: Ohr und Verstand. Die kühle Inszenierung und Zapatkas genaue Intonation der Texte fördern zutage, was sonst von im Vorübergehen erworbenen Meinungen und vorgefassten Urteilen verdeckt ist. So kann man in beiden Filmen in die innere Logik und Vorstellungswelt des Nationalsozialismus und des islamistischen Fundamentalismus eintauchen. Karmakar meint zu der Wirkung seiner Arbeitsweise: „Alle tun so, als wüssten sie, was eine Hasspredigt ist – aber konkret wissen es eben die wenigsten. Es gibt das Klischeebild des Nazis, der schreit. Ein Nazi muss schreien. Wenn er nicht schreit, ist er kein richtiger Nazi. Es hat gedauert, ehe man begriffen hat, dass es auch freundliche, ruhige Nazis gab, die keineswegs weniger extremistisch waren. Ich will zeigen, dass sogenannte Hassprediger auch rational argumentieren“.

 

Die Rationalität des Fundamentalismus: „Hamburger Lektionen“ ist kein leicht zugänglicher Film. Doch er legt die Rationalität des Fundamentalismus offen. Denn das Irritierende an Fazazis Text ist nicht nur das, was uns bizarr, abstrus und abstoßend erscheint, wie die militante Frauenfeindlichkeit oder die aus Minderwertigkeitsgefühlen geborenen und notdürftig theologisch bemäntelten Rachefantasien gegen den Westen. All das ist, ebenso wie die Doktrin, dass man im Jahr 2007 so zu leben hat wie im 7. Jahrhundert und alle Neuerungen von Übel sind, reaktionärer Irrsinn. Aber einer, der mit beachtlicher innerer Plausibilität entwickelt wird. So ist, trotz der fremden Anmutung dieser Ideologie, auch der Wiedererken- nungseffekt recht hoch. Denn die Grundstruktur ist bekannt: Ein Autor beruft sich auf einen Urtext, dessen Deutung ihm Autorität verleiht. Ausgerüstet mit dieser Deutungshoheit bestimmt er, was Recht und was Unrecht, wer Freund und wer Feind ist und welche Waffen gegen den Feind legitim sind.

 

Das rhetorische Skelett des islamistischen Fundamentalismus erinnert in seiner Struktur daran, wie auch in Marxismus- und Priesterseminaren gelehrt wurde. So rückt uns Romuald Karmakar mit den „Hamburger Lektionen“ vor Augen, dass der Islamismus vielleicht weniger das Gegenbild von Abendland, Zivilisation und Aufklärung ist, als dessen rachsüchtiger Verwandter – aller wilden Fortschritts- feindlichkeit zum Trotz ein Phänomen der Moderne.  {Stefan Reinecke für das ARTE Magazin – www.arte.tv/de}

 


Der Salafismus: Zur Binnenlogik eines radikalen Denkens

 

Zurück zu den Wurzeln: Im Vorspanntext der „Hamburger Lektionen“ heißt es über Mohammed Fazazi, dass er in Marokko die salafistische Variante des Islam gelehrt habe, nach der allein der Prophet und seine Gefährten sowie die drei folgenden Generationen der Muslime gläubig und rein genug gelebt hätten. Gemeint ist damit, dass die islamische Glaubensrichtung der Salafisten die Rückkehr zu einem vermeintlichen Ur-Islam predigt, dessen religiöse Substanz durch den Koran und die überlieferten Worte und Taten des Propheten Mohammed („hadith“) ein für allemal kanonisch festgelegt ist. Da es sich beim Koran um eine Offenbarung unmittelbar göttlichen Ursprungs handelt, ist für den Salafismus jede Frage nach dessen historischen Entstehungsbedingungen per se ketzerisch. Die Koraninterpretation ist nur zulässig als wortwörtliche Auslegung der Suren und Verse. Dies hat zur Folge, dass alle im Lauf der Geschichte anzutreffenden Lesarten des Korans, die mehr Interpretationsspielräume zugelassen haben, als verderbliche Neuerungen („bid’a“) verdammt werden.

 

Aus diesem äußerst orthodoxen Koranverständnis leitet sich ein allumfassender Anspruch von Religion ab, wie ihn Fazazi in den „Hamburger Lektionen“ explizit formuliert: „Die islamische Religion ist umfassend, vollständig, widerstandsfähig, komplett und vollkommen. Und sie mischt sich ausnahmslos in alle Bereiche des Lebens ein. Der Islam hat Antworten auf jede Frage und für alles ein besonderes Programm.“ Die hier selbstverständliche Einheit von Religion, Politik und Gesellschaft ist gegen alle Entwicklungen der Moderne gerichtet – nicht nur gegen die Ungläubigen, den „Westen“, sondern auch innerhalb des Islam.

 

Fundamentalismus und Moderne: Dabei ist der Salafismus, wenn man so will, selbst ein Produkt der Moderne. Er ist ein Teil jener globalen religiösen Erweckungsbewegungen, wie wir sie bei den orthodoxen jüdischen Siedlern in Israel ebenso finden wie bei den Evangelikalen in den USA: Die biblische Schöpfungsgeschichte wortwörtlich als reale Entstehungsgeschichte der Welt zu verstehen, zeugt vom selben buchstabengläubigen Textverständnis wie jenes, das die drakonischen Strafen der aus dem Koran abgeleiteten Rechtsnormen der Scharia bei Diebstahl (Handabhacken) oder Ehebruch (Steinigung) als göttliche Offenbarung ansieht, die um kein Jota geändert werden darf. Der Hinweis, dass es sich bei solchen Strafnormen um zeittypische Normen arabischer Stammeskulturen aus der Frühzeit des Islam handele, verfängt bei Salafisten nicht. Die Scharia allerdings auf ein archaisches Strafrechtssystem zu reduzieren, wäre ihr nicht angemessen. Neben ihren Rechtsnormen, die keineswegs in allen islamischen Staaten Gültigkeit haben, sind es vor allem die fünf Glaubensübungen, denen sich jeder gläubige Muslim (nicht nur der Salafist) verpflichtet fühlt. Das Glaubensbekenntnis („Es gibt keinen anderen Gott als Allah…“), die täglichen Gebete, das Fasten im Ramadan, die Almosen für die Armen und die Pilgerfahrt nach Mekka.

 

Aus all dem ergibt sich eine Lebenshaltung, die nicht nur gegenüber Ungläubigen, sondern auch gegenüber anders denkenden Muslimen zu Abschottung und demonstrativer Bekundung des wahren Glaubens durch eine entsprechende Kleidung führt: Bei Männern der wuchernde Bart, die weiße Kappe auf dem Kopf und der knöchellange weiße Rock, die Galabiyya, bei Frauen die Ganzkörperverhüllung. Noch vor zwanzig Jahren waren junge Männer mit Bart und Galabiyya in deutschen Städten, aber auch in Istanbul, Rabat oder Karatschi kaum zu sehen, inzwischen gehören sie in manchen Städten fast schon zum Alltagsbild in der Öffentlichkeit.

 

Die beäugt sie natürlich mit Misstrauen, denn mit dem äußeren Erscheinungsbild verbindet sich die Vorstellung, dass sich unter der Galabiyya ein Sprengstoffgürtel verbergen könnte. Salafisten werden aber nicht zwangsweise zu Attentätern und Terroristen, sondern wollen in erster Linie so fromm und gottesfürchtig leben, wie ihrer Meinung nach der Prophet und dessen Gefährten gelebt haben, die „al-Salaf al- Salih“ (daher der Name Salafismus). Dass es da gerade in westlichen Gesellschaften zu Konflikten im Alltag kommt, zeigen die Fragen, die Imam Fazazi gestellt werden. Auf jeden Fall ist mit einer salafistischen Haltung aber eine klare Absage an jede Form von Integration verbunden. Auf die Frage, ob man sich denn an die Gesetze der Ungläubigen halten müsse, gibt Fazazi am Ende der „Hamburger Lektionen“ eine unmissverständliche Antwort: Die Gesetze und Regeln in Deutschland seien „unwirksam“, weil sie nicht der Scharia entsprächen: „Jede Bestimmung, die nicht im Buch Gottes steht, ist unwirksam.“ Ganz konkret heißt das, dass Reisepässe und Visa nicht der Scharia entsprächen (weil sie in ihr nicht vorkämen) und deshalb als unwirksame Dokumente auch gefälscht werden dürften. Mit dieser Einstellung dürfte es allerdings nicht nur in Deutschland, sondern auch in Marokko oder Ägypten Probleme geben.

 

Das Feindbild des Salafismus: Lügen und Betrügen gegenüber den Ungläubigen ist also erlaubt, religiös legitimiert. Wenn man dann das klassische Bild der Ungläubigen mit seiner Unterscheidung von Schutzbefohlenen und echten Ungläubigen, wie es Fazazi in seinen Ausführungen entwickelt, auf ein aktuelles Feinbild projiziert, könnte man, sehr vorsichtig formuliert, von psychologischer Vorbereitung gewalttätigen Handelns sprechen. Ein moderner Ungläubiger, heißt es in den „Hamburger Lektionen“, ist jemand, der „sich am Krieg gegen den Islam durch Meinungsäußerung oder durch geistige Anstrengung oder durch ein Lied oder durch ein Theaterstück oder durch eine Fernsehserie beteiligt, die die Muslime beleidigt oder sie verzerrt darstellt. Der ist ein Krieger und ist zu töten, selbst wenn es eine Frau oder ein Kind ist.“

 

Diese geistige Militanz, wie sie im Begriff des Kriegers zum Ausdruck kommt, lässt sich auch im salafistischen Verständnis nicht unmittelbar aus dem Koran oder aus der Scharia ableiten (im salafistischen Verständnis allein schon deshalb nicht, weil Fernsehserien dort nicht vorkommen). Sie hat etwas mit einem tief sitzenden Unterlegenheitsgefühl zu tun, das Muslime seit den kolonialistischen Eroberungen in einer auch in den „Hamburger Lektionen“ deutlich werdenden Opferrolle sieht. Immer wieder wird dem Imam die Frage gestellt, warum alle Formen von unbestreitbarem gesellschaftlichen und technischen Fortschritt nur bei den Ungläubigen anzutreffen seien. Fazazis darauf als Antwort gegebene Kolonialismuskritik, die die andauernde geistige, wirtschaftliche und wissenschaftliche Entmündigung der islamischen Welt beklagt, ist durchaus nachvollziehbar. Aber sie ist für ihn nicht das entscheidende Moment, da seine Kritik am Westen, an den Ungläubigen viel fundamentaler ist.

 

Salafisten als Attentäter: Dass wir es im Falle von Mohammed Fazazi nicht mit einem geistlichen Vertreter „des“ Islam, sondern mit einer fundamentalistisch zugespitzten Variante des Islam zu tun haben, wird im abschließenden Insert des Films deutlich. Nach seiner Rückkehr nach Marokko wurde er als geistiger Inspirator der Selbstmordattentate von Casablanca im Jahr 2003 von einem marokkanischen Gericht zu dreißig Jahren Haft verurteilt. Dieses Attentat von 2003 verdeutlicht eine Stoßrichtung, wie sie in den „Hamburger Lektionen“ als legitime Tötung von Ungläubigen in der Tat schon vorgedacht wurde. Damals hatten sich in Casablanca vierzehn marokkanische Selbstmordattentäter in die Luft gesprengt und mehr als vierzig Menschen mit in den Tod gerissen, fast alle Marokkaner. Ziele der parallel erfolgten Anschläge waren das spanische Kulturzentrum, das belgische Konsulat, ein vor allem von Touristen besuchtes Hotel in der Altstadt, ein jüdischer Friedhof und das Gemeindezentrum marokkanischer Juden.

 

Laut Insert wurde Fazazi ein Jahr später auch mit den Terroranschlägen in Madrid in Verbindung gebracht, da einige der in Madrid lebenden Attentäter (die keine Selbstmordattentäter waren) aus Tanger stammten und Kontakt zu Fazazi gehabt haben sollen. Auch das ist in den „Hamburger Lektionen“ schon angelegt, wenn gesagt wird, dass der gesamte Westen der Feind des Islam sei, weil er islamisches Territorium besetzt halte. Beschämendstes Beispiel sei Spanien: „Al Andalus (Andalusien) ist ein islamisches Land, und ist besetzt von den Spaniern.“

 

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die „Hamburger Lektionen“ einen tiefen Einblick in die „Binnenlogik“ eines radikalen Denkens zulassen, wie Romuald Karmakar das genannt hat. Diese Binnenlogik mag man realitätsfremd, verzerrt, pathologisch oder wie auch immer nennen. Dass eine solche Logik keine islamische Spezialität ist, hat Karmakar schon einmal mit seinem Film „Das Himmler-Projekt“ gezeigt. {Autor: Ernst Schreckenberg}

 

© BUNDESVERBAND KOMMUNALE FILMARBEIT August 2007, www.kommunale-kinos.de

Hamburger Lektionen: Dokumentarfilm, Deutschland 2006, ZDF, Erstausstrahlung, 16:9 / 133 Min. – Regie: Romuald Karmakar – Ausstrahlung: Donnerstag, 24. Januar 2008 um 21.00 Uhr – Mit: Manfred Zapatka

 

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