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Durch Gebet und Wort für verfolgte Kopten

Familie flieht vor den Unruhen in Ägypten 30. März 2011

Filed under: Koptenverfolgung — Knecht Christi @ 15:28

Herrenberg: Ehepaar lebt mit Kindern seit Jahren in Alexandria – Lage derzeit zu gefährlich

 

Tumulte, Gewalt, brennende Gebäude, Schüsse, Plünderungen: Nicht nur in der ägyptischen Hauptstadt Kairo herrscht der Ausnahmezustand, auch Alexandria wird von den Unruhen gebeutelt. Familie Hämmerle lebt seit einigen Jahren in der Hafenstadt und wurde nun aus Sicherheitsgründen nach Deutschland ausgeflogen – im Gepäck nur das Nötigste. Derzeit wohnt das Ehepaar mit seinen beiden Kindern in Herrenberg und bangt um die Freunde in Alexandria.

 

Die vergangenen Wochen markieren die schwerste und gefährlichste Zeit, die das Ehepaar Birgit und Reinhard Hämmerle und ihre Kinder Ines (12) und Eric (15) bislang in Ägypten erlebt haben. Der gebürtige Entringer und seine Frau, die aus Forchheim bei Nürnberg stammt, haben früher in der Entwicklungshilfe in Rumänien gearbeitet und sind vor viereinhalb Jahren nach Alexandria gezogen, um sich auch dort für soziale Zwecke einzusetzen. Sie arbeiten im Seemannsheim der deutschen Seemannsmission – einer christlichen Sozialeinrichtung. Das Seemannsheim, in dem die Familie Hämmerle auch wohnt, ist eine Anlaufstelle für Seeleute. Die beiden Kinder besuchen eine deutsche Schule in Alexandria. Im Sommer kommt die Familie regelmäßig für einige Wochen nach Herrenberg, wo die Eltern des „Seemannsdiakons“ leben und die Hämmerles eine Wohnung haben.

 

Birgit Hämmerle steht noch ganz unter den Eindrücken der vergangenen Wochen: „Niemand hat erwartet, dass sich die Situation so zuspitzt und in einem Bürgerkrieg eskaliert“, berichtet sie im „Gäubote“-Gespräch. In der vergangenen Woche wurde die Familie von der deutschen Botschaft in Kairo nach Deutschland ausgeflogen, weil es zu gefährlich wurde. Die 48-Jährige hat die Protestaktionen und Tumulte in Alexandria erlebt und die Panzer gesehen, die an verschiedenen Stellen in der Stadt positioniert wurden. Mehrfach fielen Schüsse. „Später haben wir erfahren, dass es sich angeblich nur um Warnschüsse handelte, die das Militär abgefeuert hat“, so Birgit Hämmerle, die evangelische Theologie studiert hat. Zahlreiche Autos und 14 Polizeistationen in der Hafenstadt wurden in Brand gesteckt – eine davon befindet sich in der Nähe des Seemannsheims. Die Ereignisse überschlugen sich. Als an einem Tag plötzlich keine Polizisten zu sehen waren, wurden Geschäfte, Geldautomaten und Häuser geplündert. „Es haben sich in der Nachbarschaft Bürgerwehren formiert, um das Eigentum zu schützen“, erläutert Birgit Hämmerle. Es wurden Ausgangssperren verhängt, und wenn Geschäfte für kurze Zeit öffneten, versuchten die Menschen, sich mit möglichst vielen Lebensmitteln einzudecken. Familie Hämmerle zog sich in einen Bunker im Keller des Seemannsheims zurück – der Schutzraum stammt noch aus dem Zweiten Weltkrieg.

 

Dann kam die Information von der deutschen Botschaft in Kairo, dass die Familie aus Ägypten geflogen wird. Dies geschah am vergangenen Dienstag mit rund 140 anderen Personen – allerdings mussten die Hämmerles fast alles zurücklassen, denn jede Familie durfte nur eine Tasche mitnehmen. Nun sorgen sie sich um ihre Freunde und Bekannte, die in Alexandria bleiben mussten.

 

„Ich verstehe die Wut der Menschen in Ägypten. Jeder, der in einer Diktatur lebt, fühlt sich in der Freiheit beschnitten“, erklärt Birgit Hämmerle. Doch neben dem aktuellen Konflikt zwischen den Anhängern und Gegnern des Präsidenten Hosni Mubarak beschäftigt die Familie auch die Tragödie, die sich aufgrund der religiösen Probleme zum Jahreswechsel in Alexandria zugetragen hat: Ein Selbstmordattentäter hatte vor einer koptischen Kirche einen Anschlag verübt. Über 20 Menschen starben, an die 100 wurden verletzt – einige davon schwer.

 

Die evangelikale, englischsprachige Gemeinde in Alexandria, zu der die Hämmerles gehören, will den Notleidenden helfen. „Der medizinische Standard in Ägypten scheint sehr hoch zu sein, aber die Pflege ist schlecht. Denn so gut ausgebildete Krankenschwestern wie in Deutschland gibt es dort nicht“, berichtet Birgit Hämmerle, die Arabisch spricht und Verletzte in verschiedenen Krankenhäusern in Alexandria besucht hat. Viele Opfer trugen Brandwunden, Knochenbrüche und andere schwere Verletzungen davon. Mittlerweile werden zehn Opfer in Krankenhäusern in Deutschland behandelt.

 

Die evangelikale Gemeinde bemüht sich um die langfristige Nachbehandlung der Verletzten in Ägypten und will beispielsweise auch Prothesen und Rollstühle besorgen. Birgit Hämmerle hofft nun auf Spenden für die Opfer; ein Spendenkonto der deutschen evangelischen Gemeinde Kairo steht dafür zur Verfügung.

 

Familie Hämmerle möchte wieder nach Ägypten zurückkehren, sobald sich die Situation beruhigt hat. Sollte dies noch einige Wochen dauern, könnte es für Ines und Eric Hämmerle schwierig werden, weil sie zu viel Schulunterricht versäumen. „Es ist noch vieles offen“, meint Birgit Hämmerle. Gleichwohl ist sie zuversichtlich: „Wir hören aus Ägypten, dass die Lage langsam besser wird.“ Für die Nachbehandlung der Verletzten nach dem Attentat gibt es ein Spendenkonto der Bank für Kirche und Diakonie Dortmund mit der Kontonummer: 1 010 996 011, Bankleitzahl: 350 601 90. Wichtig ist der Vermerk: „Alexandria-Hilfe“.

 

{Quelle:  www.gaeubote.de  –  von Esther Elbers  –  Aus dem Bus hat Eric Hämmerle in Alexandria die Unruhen fotografiert. Zu sehen sind neben dem Militäraufgebot auch Menschenmengen, die sich vor Lebensmittel geschäften bilden (oben rechts) und die ägyptische Fahne, die Demons tranten aufgehängt haben (unten rechts)}
 

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