kopten ohne grenzen

Durch Gebet und Wort für verfolgte Kopten

Wenn Christen Revolutionslieder singen 16. Dezember 2013

Filed under: Reportagen — Knecht Christi @ 15:19

 

Die Weihnachtsgeschichte ist voll von sozialutopischen Gesängen, die den Umsturz der bestehenden Hierarchien bejubeln.

Aber eine eigenartige Demut bewahrt sie vor terroristischem Hass.

 

 

„Zum Fall und zum Aufstehen für viele in Israel“ sei Jesus gesetzt, singt der alte Simeon, als er das Kind im Arm hält. Aert de Gelder (1645-1727) malte die im Lukas-Evangelium beschriebene Szene zwischen 1700 und 17010.

„Zum Fall und zum Aufstehen für viele in Israel“ sei Jesus gesetzt, singt der alte Simeon, als er das Kind im Arm hält. Aert de Gelder (1645-1727) malte die im Lukas-Evangelium beschriebene Szene zwischen 1700 und 17010

 

Linksprotestanten und katholische Befreiungstheologen haben in einem Punkt Recht: Das Christentum vibriert in revolutionärer Begeisterung. Die gerät zu Weihnachten in wildes Schwingen. „Er stößt die Gewaltigen vom Thron und erhebt die Niedrigen. Die Hungrigen füllt er mit Gütern und lässt die Reichen leer ausgehen“, singt die mit Jesus schwangere Maria über ihren Gott, als Maria ihre Verwandte Elisabeth besucht, die Mutter von Johannes dem Täufer. „Er übt Gewalt mit seinem Arm“, so Maria in ihrer Arie, „und zerstreut, die hoffärtig sind in ihres Herzens Sinn“. Als dann Johannes der Täufer geboren ist, stimmt dessen Vater Zacharias das nächste siegesstolze Loblied auf Gott an, der „uns errettete von unsern Feinden und aus der Hand aller, die uns hassen“. Und nach Jesu Geburt schließlich hören wir vom alten Simeon, da er das Kindlein im Tempel sieht, es sei „gesetzt zum Fall und zum Aufstehen für viele in Israel“.

 

 

 

 

 

Oben und Unten geraten durcheinander

 

Lieder vom Umsturz, erfüllt von Triumph nach großer Wut. Oben und Unten geraten durcheinander. So ungestüm werden diese Lieder geschleudert gegen Macht und soziale Herrschaft, so erregt jubiliert in ihnen die Verachtung bestehender Hierarchien, dass jeder Versuch zuschanden werden muss, diese Gesänge ins Jenseits hinein zu spiritualisieren. Nein, hier geht es um die Revolution auf Erden. Gewiss im Reich Gottes. Aber im Reich Gottes, das auf Erden angebrochen ist. Jene Begeisterung erstickt nun nicht, wer mal kurz darauf verweist, dass der Evangelist Lukas, der die Gesänge als einziger im Neuen Testament bietet, jene Worte den Figuren recht freihändig in den Mund gelegt haben dürfte. Der hellenistisch gebildete Autor, dessen Evangelium von der in diesem Punkt uneinigen Forschung auf die Zeit zwischen 60 und 90 nach Christus datiert wird, dürfte von Gesängen emphatischer Urchristen so sehr inspiriert gewesen sein, dass dieser erfindungsreiche Schriftsteller gar nicht anders konnte, als ihnen einen würdigen Platz in seiner Erzählung von Jesu Leben zu geben. Womit wir die Energie umso heftiger erspüren: In den Lobgesängen der Maria (Magnificat), des Zacharias (Benedictus) und des Simeon (Nunc dimittis) – oft vertont und feste Bestandteile kirchlicher Liturgien –, in diesen Lobgesängen darf man wohl jene Kraft fühlen, die eine große Schar früher Christen im Glauben an den auferstandenen Jesus erfasste und die jene Menschen nur lyrisch, singend umzusetzen vermochten. Lieder einer Bewegung.

 

 

 

 

 

 

Radikale Sozialutopien

 

Lieder von Menschen, die wussten, dass es endlich so weit ist. Die wussten, dass Weissagungen und Psalmenwendungen der Hebräischen Bibel, welche zumal bei Zacharias in großer Zahl aufgegriffen werden, Realität geworden sind. Die frühen Christen waren von radikalen Sozialutopien beseelt. Sie sangen davon so, dass man auch dann bewundernd mit einstimmen darf und muss, wenn man weiß, dass aus radikalen Sozialutopien nichts Gutes werden kann. Es gibt einen legitimen Moment des frühen Revolutionsmorgens. Einen Moment unfassbarer Frische. Einen Moment, in dem die Erde und die Menschen unschuldig geworden sind und auf alles ein Segen aus Worten und Tönen fällt. Von der Sehnsucht nach diesem Morgen und zugleich seinem Anbruch singen jene Lieder des Lukas-Evangeliums. Man darf wohl sagen, dass die Bibel hier revolutionären Geist heiligt.

 

 

 

Triumph und Demut

 

Und man erkennt zugleich, warum diese revolutionäre Beseligung der Urchristen nicht in revolutionäre Gewalt umschlagen konnte – der später von Christen verbreitete Schrecken hatte andere Ursachen –, warum also dem christlichen Glauben das Terror-Regime ursprünglich ganz und gar fremd ist. Denn in diesen Liedern finden sich auch sprachliche Formen für jene Duldsamkeit und Hinnahmebereitschaft, für jenen Verzicht auf aktive Gewaltausübung, die für das Christentum so charakteristisch sind. Diese Lieder nämlich schweben in der Balance von Triumph und Demut. Wild sind sie, indem sie passiv Gnade annehmen. Marias Magnificat (Lukas 1, 46-55) bringt dies auf unvergleichliche Weise zur Sprache. Einerseits singt Maria voller Selbstbewusstsein: „Siehe, von nun an werden mich selig preisen alle Kindeskinder.“ Andererseits, unmittelbar zuvor, heißt es über Gott und Maria selbst: Er hat die Niedrigkeit seiner Magd angesehen„. In nur einer Zeile: Er hat große Dinge an mir getan„. In stärkerer Verdichtung lässt sich die Dialektik von Erhebung des Subjekts und Erhebung Gottes, von Selbststärkung und Gnadenannahme kaum ausdrücken.

 

 

 

Gott ist kein Autokrat

 

Ähnlich plastisch formuliert ist jenes Aufwallen, das ein Hinnehmen ist, im Benedictus des Zacharias (Lukas 1, 68-79). „Besucht“, so singt Zacharias, habe der Herr sein offenbar passiv wartendes Volk, auf dass wir, „erlöst aus der Hand unsrer Feinde, ihm dienten ohne Furcht“. Dienen ohne Furcht! Und abermals ein „besuchen„: Die Menschen werde „besuchen das aufgehende Licht aus der Höhe“, in anderen Übersetzungen brillant als „Aufgang aus der Höhe“ formuliert. Faszinierend schillert dies zwischen Herabkunft von oben und Aufgang von unten. Zacharias lässt dabei anklingen, dass auch Gott selbst nicht einfach ein unumschränkt dreinschlagender Alleinherrscher ist. Denn Zacharias singt von der vertraglichen Bindung zwischen göttlicher Macht und menschlicher Kraft. Im Kommen des Messias zeige sich, das Gott „gedacht“ habe „an seinen heiligen Bund und an den Eid, den er geschworen hat unserm Vater Abraham“. Gott selbst scheint hier einer Begrenzung zu unterliegen: Er hat den Bindungen zu entsprechen, die er den Menschen gegenüber eingegangen ist. Gott wirkt insofern ebenfalls passivisch. Gewiss, er revolutioniert, aber ohne sich zum revolutionären Autokraten aufzuschwingen. Vielmehr erfüllt Gott nur, was ihm im Bund mit dem Volk Israel aufgegeben war. Gerade durch Treue zeigt er Macht. Mit dieser stärkt er jene Menschen, welche die Macht passiv annehmen.

 

 

Ergreifende Passivität

 

Das wohl ergreifendste Bild menschlicher Passivität, aus der ein Triumphieren wird, und aus einem Triumphieren, das an Passivität gebunden ist – das wohl ergreifendste Bild hierfür findet sich bei Simeon (Lukas 2, 29-35). Über den alten Mann heißt es, ihm sei „ein Wort zuteil geworden von dem Heiligen Geist, er solle den Tod nicht sehen, er habe denn zuvor den Christus des Herrn gesehen„. Leben heißt für Simeon nur noch warten, die zweitstärkste Form der Passivität, auf welche deren stärkste Form folgt, der Tod. Im Sterben aber scheint die größte Kraft auf. Denn Simeon nimmt den kleinen Jesusknaben „auf seine Arme“ und singt, so erfüllt von Stärke wie überkommen von Schwäche: „Herr, nun lässt du deinen Diener in Frieden fahren, wie du gesagt hast; denn meine Augen haben deinen Heiland gesehen, den du bereitet hast vor allen Völkern, ein Licht, zu erleuchten die Heiden und zum Preis deines Volkes Israel“.

 

 

 

Abbruch und Neubeginn des Jubels

 

Sogleich aber wird der kraftvolle Triumph des Gesangs wieder gedämpft, ja, mit Blick auf Jesu Kreuzigung zerstört. Simeon sagt Jesu Eltern, das Kind werde später „zu einem Zeichen, dem widersprochen wird“. An Maria gerichtet, fügt Simeon hinzu: Auch durch deine Seele wird ein Schwert dringen„. Da bricht der Jubel ab. Um aber von den Christen im Glauben an die Auferstehung wieder neu angestimmt zu werden. Doch auch nur für den Moment, schon mit dem Blick aufs Kreuz, woran der Jubel dann wieder zerbricht. Insofern ist christlicher Gesang, diese Verbindung von Erhebung und Demut, ein Gesang im Dazwischen. In einem Moment, da der glänzende Morgen anbricht und die kommende Niederlage doch schon gesehen wird, genauso im Moment nach dem Leiden am Kreuz und der Erfahrung der Auferstehung. Christliches Singen ist gebunden an den prekären Augenblick. Es kann und will diesen Augenblick nicht auf Dauer stellen, schon gar nicht in revolutionärem Herrschaftsanspruch. Wie revolutionär dieser Gesang auch ist. {Quelle: www.welt.de – Von Matthias Kamann: Redakteur im Politik-Ressort der „Welt“. In dieser Reihe schrieb er zum Ersten Advent über den Niedergang der Engel und zum Zweiten Advent über die Tragödie von Johannes dem Täufer. In der nächsten Folge zum Vierten Advent geht es um Esel}.

 

6 Responses to “Wenn Christen Revolutionslieder singen”

  1. Bernhardine Says:

    MARIA DURCH EIN DORNWALD GING

    Flashmob 2012, Heidelberg Haptbahnhof

  2. Bernhardine Says:

    O DU FRÖHLICHE

    Stuttgart U-Bahn

  3. Bernhardine Says:

    Gospel Weihnacht Mix
    Flashmob

    (Video einstellbar am Zahnradsymbol)

  4. Bernhardine Says:

    Christmas Medley
    Flash Mob by Journey of Faith at South Bay Galleria
    mit Krippenspiel

  5. e Says:

    Maria durch den Dornwald ging .. mein Lied , das ich einst mit meiner Schwester gesungen habe …


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