
Nach Marias Vorbild – wie eine Muslimin es unwissend getan hat – dürfen wir während der Passion und der Stille des Karsamstags ganz bei Jesus sein.
München (kath.net): Eine Muslimin wollte in Rom einmal der Karfreitagsliturgie beiwohnen. Sie tat es und erlebte einen doppelten Schock: Als sie die Leidensgeschichte Jesu hörte, rannen ihr Tränen über die Wangen über die maßlose Tortur an einem makellosen, unschuldigen Menschen, der auch noch Gott war. Sie schaute nach links und nach rechts und erlebte den zweiten Schock ihres Lebens: So viele teilnahmslose, gelangweilte, unbewegte und teilweise Kaugummi kauende Gesichter! Wie kann man bei einer solchen Geschichte, einer solchen ungerechten Marter unberührt bleiben?
Antwort: Zu oft gehört? Kennt man schon? Ist zu lang? Unverständlich? Wohl eher nicht. Die wirklich ehrliche Antwort ist doch die: Wir sind mit unserem Herzen nicht immer dabei. Wir können die Passion rauf und runter lesen, uns mit dem Ablauf der Liturgien der Karwoche vertraut machen, brav fasten – aber wenn unser Herz woanders ist und unsere Gedanken spazieren gehen, ist die Liturgie im Grunde Zeitverschwendung, weil sie mehr oder weniger abgesessen ist – von den für manche recht sportlichen Kniebeugen einmal abgesehen.
Vielleicht wäre es wertvoll, die Leidensgeschichte vor dem inneren Auge ablaufen und ins Herz zu lassen, innerlich bei Jesus zu sein, ihn zu trösten, ihn anzubeten, ihn zu loben und ihm zu danken für das, was er für uns, für mich, ertragen hat. Wir können Jesus bewusst Zeit schenken, bei ihm sein, hörend, betrachtend und dann die Auferstehung erwartend. Nur der entblößte und gedemütigte Jesus – und ich. Ganz puristisch und schlicht wie die Karfreitagsliturgie es auch ist: kein Gesang, keine Schnörkel, keine Deko. Nur Jesus und das Kreuz. Und ich.
Der emeritierte Papst Benedikt XVI. hat uns 2010 ermutigt, „unseren Meister“ zu begleiten, „indem wir sein Leiden in unserem Leben, im Leben der Kirche, für das Leben der Welt teilen, da wir wissen, das gerade im Kreuz des Herrn, in der grenzenlosen Liebe, die sich selbst ganz verschenkt, die Quelle der Gnade, der Freiheit, des Friedens, des Heils ist“.
Das Kreuz wirft viele Fragen auf, vor allem die nach dem Sinn des Leidens. Zumindest im Zusammenhang mit Märtyrern wusste Tertullian (2./3. Jhd.) zu sagen: „Ein Samen ist das Blut der Christen.“ Wie Jesus haben viele Märtyrer aus tiefstem Vertrauen auf den himmlischen Vater gewusst, dass dieser sie letztlich nicht der Schande übergeben würde. Letztlich, denn während der Marter waren sie wie Jesus in Schande, endeten aber nicht in Schande, sondern als himmlische Sieger. Jesus endete als Verherrlichter, als Auferstandener. Die Auferstehung war die Frucht seiner Entschlossenheit, dem Willen Gottes zu gehorchen, alles von ihm zu empfangen und den Menschen weiterzugeben, erklärte einmal die Theologin Nina Heereman. Durch seinen Tod und seine Auferstehung hat Jesus den Tod besiegt und uns den Himmel geöffnet. Und so können wir mit Eusebius von Cäsarea ausrufen: „Der Tag des Leidens ist die Quelle großer Güter und großer Freude.“
Zugegeben: Der Satz fordert heraus. Aber ist es nicht trotzdem ein Satz, der Staunen, Dankbarkeit und Anbetung hervorruft – und zum Nachdenken über das Leiden Jesu einlädt?
Wie groß muss Jesu Angst gewesen sein, dass er sogar Blut geschwitzt hat bis die Kleider an ihn klebten! Vielleicht tropfte sogar Blut zu Boden? Wie sehr muss er vor Angst und Verlassenheit gezittert haben! Wieviel Blut ist bei der Geißelung und Dornenkrönung geflossen? Wie viele Wunden sind ihm zugefügt worden; körperliche, psychische, seelische. Die Geißelhiebe, das Gespött, das Gegröle, Gespucke, die Hammerschläge als die langen Nägel in das lebendige Fleisch geschlagen wurden, Nerven durchtrennten und Knochen zerbrachen. Da will man doch gar nicht hinsehen! Kein Wunder, dass fast alle Jünger geflohen sind. Beherrscht von Angst und Mangel an Mut konnten sie keine „Quelle großer Güter und großer Freude“ ausmachen. Verständlich.
Jedenfalls haben die Apostel ihre Flucht bitter bereut, während wir unser gedanklichen Rückzug zu was auch immer außer dem Leiden Jesu – sagen wir, gewöhnt sind; zumindest darf uns die Beobachtung der Muslimin zu denken geben. Ausgerechnet sie als Nicht-Christin hat am Leiden Jesu wirklich teilgenommen. Wir sind dann doch lieber erst bei der Auferstehung wieder ganz dabei.
Dabei bräuchte uns Jesus auch im Leiden, vor allem, wenn man bedenkt, dass er im Leiden ganz Mensch war. Im Leiden hat Jesus das göttliche Gewand abgelegt und ist ganz in Menschengestalt den Kreuzweg gegangen (vgl. phil 2, 7-8), als Mensch, der menschlich getröstet werden will. Auf seinem Kreuzweg begegnete Jesus Menschen, die mit ihm litten und ihn (dadurch) getröstet haben. Besonders wertvoll muss ihm der Anblick Marias gewesen sein, seiner geliebten Mutter, die ihn nie verlassen hat, immer zu ihm stand, mit ihm gelitten hat wie kein anderer und dann auch noch unter ungeheueren Schmerzen ein zweites Mal Mutter geworden ist; Mutter der ganzen Kirche, aller Glaubenden.
Nach Marias Vorbild – wie die Muslimin es unwissend getan hat – dürfen wir während der Passion und der Stille des Karsamstags ganz bei Jesus sein. Wir dürfen eintauchen in seine Leidensgeschichte, um den Sinn des Kreuzes besser zu verstehen. Und vielleicht ist das echte Mitgehen mit dem Leid Jesu ein Tor, das uns zu Jesus und in einen tieferen Glauben führt und wir eine neue; tiefere, erkenntnisreichere, freudigere Erfahrung der Auferstehung machen können.
Kommentar von „Kopten ohne Grenzen„
Ein Artikel, der aufrüttelt hinsichtlich des schweren und schmerzhaften Leidens des Gottessohns. Die Autorin benutzt als „roten Faden“ eine Muslimin, die als Nichtchristin mehr gefühlsmäßige Anteilnahme beim Hören der Passion JESU zeigt, als Christen. Das ehrt diese Muslimin und ihr Verhalten soll hier nicht kleingeschrieben werden.
Diese Muslimin hatte jedoch einen Vorteil: Sie hat die Passion JESU noch nie gehört, sie nie in der Bibel gelesen. Nun, die Muslimin hat menschlich gehandelt, aber es ist ihr nicht zu unterstellen, dass sie glaubte, dass JESUS der SOHN GOTTES sei, denn dann wäre sie stillschweigend zum Christentum übergetreten. Das jedoch erlaubte ihr der Koran nicht, dies zu glauben, denn der Koran leugnet die Kreuzigung JESU. Die menschliche Geste der Tränen beim Hören der Passion ehrt sie jedenfalls.
Es ist schwierig als Christ oder als Christin, dass die Passion CHRISTI, wird sie zum x-ten Mal vorgetragen, die gewünschte tränenreiche Empathie für JESUS erzeugt und hervorruft, wie bei dieser Muslimin, die den Leidensweg CHRISTI zum ersten Mal hörte. In ihr haben diese Worte einen Gefühlssturm ausgelöst, ja, kein Wunder. Christen und Christinnen, denen beim Hören dieser Passion, die Tränen über die Wangen laufen, sind möglicherweise rar gesät. Wenn sie dies können, ehrt es sich doppelt.
Christen und Christinnen jedoch wird ja das Leiden und Sterben CHRISTI nicht nur einmal jährlich an Karfreitag oder wie in einigen Kirchen am Palmsonntag vorgehalten. Die Tatsache des Leidens und Sterbens JESU wird jedem Christen und jeder Christin bei jeder heiligen Messe als Glaubensinhalt vorgetragen und bewusst gemacht.
Ja, es ist traurig und es ist erschütternd, dass die Christenheit gegenüber dem Leiden CHRISTI abgestumpft ist. Aber ist dies nicht auch menschlich verständlich? Dieser Glaubensinhalt ist zur Selbstverständlichkeit mutiert, obwohl dieser Inhalt die größte theologische Sensation im Rahmen des Gottesglaubens überhaupt ist. Ein Staunen und die Ehrfurcht vor dem Handeln JESU wäre das mindeste für die Christenheit.
JESUS ist vor ca. 2000 Jahren diesen extremen Leidensweg bis zum Tod am Kreuz gegangen. JESUS hat diesen Tod als GOTT-Mensch mit bittersten Schmerzen einmal erlebt, SEINER Mutter hat es das Herz zerrissen damals bis zur Zeit der Auferstehung. Die Christenheit weiß, wie diese Leidensgeschichte JESU weitergeht. Es folgt die glorreiche Auferstehung und das Wissen darum, dass JESUS lebt und den Tod besiegt hat. Diese Glaubensinhalte, die in jedem Glaubensbekenntnis gebetet oder gesungen werden, lassen die Passion JESU für Christen und Christinnen also in einem anderen Licht erscheinen. ER musste so handeln aus Liebe für die Menschen. Für Christen und Christinnen schwingt beim Vortrag dieser Passion die Auferstehung gleichzeitg still mit.
Als gläubiger Christ weiß ich, dass JESUS als GOTTESSOHN im Auftrag SEINES VATERS diesen schrecklichen Leidensweg FREIWILLIG gegangen ist, um dann jedoch den irdischen Tod zu besiegen. Dieser Umstand bietet genug Anlass, die Leidensgeschichte JESU ohne Tränen, aber in dem festen Bewusstsein anzuhören, dass der HEILIGE GEIST JESUS zu diesem Schritt trieb, um die Menschheit von der Vorstellung des endgültigen irdischen Tods zu erlösen.
Ja, als gläubiger Christ oder Christin gelangweilt die Passion in der Gesinnung der Gleichgültigkeit gepaart mit dem Wunsch, wann denn endlich der Text vorbei sei, anzuhören, ist Sünde.
Intensiv zuhören, auch wenn die Tränen ausbleiben, ist Gebot der Stunde am Karfreitag. Dieser Text ist mehr als geeignet, der Erlösungstat JESU mit höchster Seelen-Intensität zu begegnen.