Der Papst und die schwulen Priester
In einem neuen Interview äußert sich der Papst duldsam gegenüber Geistlichen, die gleichgeschlechtlich empfinden, aber keusch leben. Zugleich betont er, Personen „mit tiefsitzenden homosexuellen Tendenzen“ dürften nicht zum Priesteramt oder den Ordensgelübden zugelassen werden. Wohin geht sein Kurs?
Papst Franziskus hat einmal mehr das heiße Eisen Homosexualität angefasst. In dem am Montag veröffentlichten Interview-Buch „Die Kraft der Berufung“ äußert er sich über den Umgang mit Priester- und Ordenskandidaten, die sich zum gleichen Geschlecht hingezogen fühlen. Praktisch im Nachklapp sagt er, homosexuelle Geistliche müssten angehalten werden, „den Zölibat umfassend zu leben“ und mit ihrer Sexualität „voll verantwortlich“ umzugehen.
Allein das päpstliche Zugeständnis, dass es schwule Priester, lesbische Nonnen genauso geben darf wie heterosexuelle, wäre eine Erleichterung für diejenigen Geweihten, die ihr Anderssein noch immer meinen verhehlen zu müssen – und ein rotes Tuch für Konservative in der katholischen Kirche.
Zwischen Person und Tat hat Franziskus schon immer unterschieden. Als er kurz nach seiner Wahl im Juli 2013 erklärte, er könne über einen Menschen, der Gott suche und guten Willens sei, nicht den Stab brechen, nur weil er homosexuell sei, feierten liberale Kommentatoren dies als große Wende. Das „Wer bin ich, ihn zu verurteilen“ wurde zum Signalwort einer neuen Offenheit.
„Neigung, die objektiv ungeordnet ist“
Dabei blieb der Papst vollständig auf dem Boden der amtlichen Lehre. Der katholische Katechismus mahnt, homosexuellen Männern und Frauen „mit Achtung, Mitleid und Takt zu begegnen“ und sie keinesfalls „in irgendeiner Weise ungerecht zurückzusetzen“. Homosexualität an sich nennt das Grundbuch des Glaubens hingegen eine „Neigung, die objektiv ungeordnet ist“.
Im Umgang mit Schwulen zeigt Franziskus keine Berührungsängste. Im April hatte er in seiner Residenz für eine Woche den Chilenen Juan Carlos Cruz zu Gast, der als Jugendlicher von einem Priester missbraucht worden war. Cruz erklärte anschließend, er habe sich vom Papst auch mit seiner Homosexualität ernst- und angenommen gefühlt.
Eine Linie ist für Franziskus freilich überschritten, wenn Geistliche, die unter dem Gelübde der Ehelosigkeit stehen, eine gleichgeschlechtliche Beziehung leben. So kam es zum Eklat, als der Priester Krzysztof Charamsa, Mitarbeiter der Glaubenskongregation, 2015 der Medienöffentlichkeit seinen Lebensgefährten bekanntmachte. Später verwendete der Vatikan ein Bild Charamsas im Priesterkragen mit seinem Freund versehentlich als Kampagnenfoto für eine den Menschen zugewandte Pastoral; die Lacher waren erfreut, aber Charamsa musste gehen.
Nicht ganz klar ist hingegen, inwieweit das bloße Homosexuellsein aus Sicht des Papstes mit dem geistlichen Stand kompatibel ist. Ein Dokument der Bildungskongregation 2005 schließt diejenigen Personen mit „tiefsitzenden homosexuellen Tendenzen“ von Priesterseminaren aus, weil sie daran gehindert seien, „korrekte Beziehungen zu Männern und Frauen aufzubauen“.
Auch Franziskus unterstreicht im Interview-Band des spanischen Theologen Fernando Prado, nach kirchlicher Weisung dürften Personen „mit dieser tiefsitzenden Tendenz“ nicht zum Priesteramt oder den Ordensgelübden zugelassen werden. „Das Weiheamt oder das geweihte Leben sind nicht ihr Platz“, sagt der Papst kategorisch.
Zusammenhang mit sexuellem Missbrauch?