„Keiner soll sagen, dass er es nicht gewusst habe“
Hunderte assyrische Christen sollen sich seit Februar in der Hand der Terrormiliz „Islamischer Staat“ (IS) befinden. Die Syrisch-Orthodoxe Kirche fordert von der Internationalen Gemeinschaft eine UN-Schutzzone für Minderheiten.
domradio.de: Nach den gezielten Angriffen der Terrormiliz Islamischer Staat auf assyrische Dörfer im Nordosten Syriens hat der Patriarch von Antiochien die Übergriffe als Morde und Terrorakte verurteilt und einen Appell an die internationale Gemeinschaft gerichtet. Was fordert der Patriarch?
Dr. Raid Gharib: Der heilige Vater fordert, dass die internationale Gemeinschaft ernsthafte Bemühungen um den Frieden in der Region unternimmt. Zu einer wirksamen Bekämpfung der IS-Terroristen gehört auch die Kappung der Finanzströme. An diese Verantwortung der internationalen Gemeinschaft appelliert der Patriarch.
domradio.de: Was wissen Sie über das Schicksal der entführten Christen?
Dr. Raid Gharib: Sehr wenig. Es wird in der Gegend gekämpft. Offensichtlich wurden sie aber in von den IS-Terroristen gehaltene Gebiete gebracht. Wir hoffen das Beste, müssen aber auch das Schlimmste fürchten.
domradio.de: Bereits im April 2013 wurden auch zwei Metropoliten entführt. Gibt es ein Lebenszeichen von ihnen?
Dr. Raid Gharib: Nein. Die Entführung von zwei Metropoliten ist ein schwerer Schlag für das Christentum in Syrien. Das wissen die Entführer sehr genau. Die Unwissenheit ist die größte Strafe.
domradio.de: Aktuelle Meldungen sprechen von einer Miliz aus rund 1.000 syrisch-orthodoxen Christen, die von den kurdischen Peschmerga trainiert werden, um an den Kämpfen gegen den IS in der Umgebung der Großstadt Mossul teilzunehmen. Unterstützen Sie die Idee einer solchen Miliz? Würden Sie dazu aufrufen, dass Christen aus allen Ländern sich einer solchen Miliz anschließen, um dem IS Einhalt zu gebieten?
Dr. Raid Gharib: Wir unterstützen jede Aktivität der Christen, die darauf zielt, die Minderheiten im Irak zu beschützen. Wir fordern niemanden auf, zu den Waffen zu greifen, und wir lehnen Gewalt generell als Mittel der Politik ab. Wenn sich die Christen aber verteidigen wollen – und nur darum geht es – sehe ich es als unsere Pflicht als Christen, ihnen beizustehen. Das ist aber eine Aufgabe für die Internationale Gemeinschaft. Wir fordern daher schon seit langem die Einrichtung einer UN-Schutzzone in der Ninive-Ebene, die von lokalen und internationalen Kräften gesichert wird, um die Minderheiten zu schützen. Das EU-Parlament hat diese Notwendigkeit in einer Resolution gestern anerkannt. Wir hoffen, dass dem jetzt weitere Schritte der Mitgliedsstaaten folgen – auch Deutschlands.
domradio.de: Haben Christen im Syrien überhaupt eine Zukunft?
Dr. Raid Gharib: Ich möchte keinen anderen Gedanken zulassen! Es käme einer kulturgeschichtlichen Sintflut gleich, wenn das Christentum seine Wurzeln im Nahen Osten verlöre.
domradio.de: Wie helfen die syrischen-orthodoxen Christen in Deutschland ihren Glaubensschwestern und -brüdern in Syrien?
Dr. Raid Gharib: Wir versuchen humanitär vor Ort zu helfen. Gleichzeitig drängen wir aber auch die Bundesregierung zu handeln, was auch schon teilweise geschieht. Aber es muss eine umfassende politische Lösung her, die leider derzeit mit militärischen Mitteln flankiert werden muss. Alles andere ist nur Symptombekämpfung. Hier geschieht meines Erachtens aber noch viel zu wenig.
domradio.de: Wie ist die Situation der nach Deutschland geflüchteten syrisch-orthodoxen Christen, wird da genug getan? Wie viele sind es?
Dr. Raid Gharib: Über die Zahlen kann ich nichts sagen, weil es quasi täglich mehr werden. Dabei hat der große Strom aus dem Irak noch nicht angefangen. Die Flüchtlinge, die bisher gekommen sind, stammen fast ausschließlich aus Syrien.
Sunday of Orthodoxy: St Phocas Antiochian Orthodox Church in Lebanon
domradio.de: Wie können wir Christen helfen?
Dr. Raid Gharib: Wir sollten beten! Gerade in diesen Zeiten ist das Gebet umso wichtiger. Weil es uns vergewissert, dass wir nicht alleine sind. Dass Gott seine Hände über uns hält. Und wir sollten empathisch sein. Wer sich in die Situation der Menschen hineinversetzt, wird sich für sie noch beherzter einsetzen. Seien sie informiert, weisen Sie auf das Leid hin, schreiben Sie Ihrem Abgeordneten oder einen Leserbrief. Ich bin nach wie vor fassungslos, dass mit unseren Steuergeldern Patriot-Raketen in der Türkei stationiert werden, mit denen die Türkei ihre rücksichtslose Unterstützung des IS absichert. Ich sage es ganz deutlich: Wer dagegen nicht seine Stimme erhebt, macht sich mitschuldig! Es soll keiner sagen, dass er es nicht gewusst habe.
domradio.de: Tut die katholische Kirche genug?
Dr. Raid Gharib: Solange das Morden und das Leiden weitergeht, tun wir alle nicht genug. Ich will das gar nicht auf einzelne Kirchen und Personen beschränken. Ich wiederhole es: Es muss ein beherztes Eingreifen der internationalen Gemeinschaft her. Wir brauchen eine Schutzzone für die Christen und die anderen Minderheiten, und dafür kann jeder etwas tun.
Das Interview führte Ralf Walter.
Hinweis
Eine Schande!!!! Und die Weltgemeinschaft (UN) schaut zu!!!!
Kirche \ Weltkirche
Irak: IS-Truppen verwüsten Kloster in Mossul
Christliche Kirchen werden in Mossul immer wieder von Dschidahisten verwüstet oder zerstört. Die chaldäische Kirche wurde zwischenzeitig sogar als Gefängnis genutzt, wo auch Frauen vergewaltigt wurden.
13/03/2015 13:48
Die Dschihadisten des Islamischen Staates haben die antike Fassade des Klosters St. Georg in Mossul verwüstet, das berichtet der Fidesdienst. Entgegen weiterer Berichte, dass das ganze Kloster gesprengt worden sei, steht die antike chaldäische Kirche noch. Die Zerstörung konzentrierte sich auf die Fassade der Kirche. Die Zerstörung der Klostermauern rührte hauptsächlich von der architektonischen Anordnung, die ein Kreuz bildete. Bereits im Dezember hatten Dschidahisten das Kreuz auf der Kuppel und auf dem Kloster abmontiert, wie es auch bei anderen christlichen Gebäuden üblich geworden ist. Zwischenzeitlich wurde die Kirche in Mossul sogar als Gefängnis genutzt.
(apic/fides 13.03.15 fs)
Quelle:
http://www.radio-vatikan.de/
UND KEINER MACHT WAS! AUSSER DER KIRCHE!!!!
Themen \ Gerechtigkeit und Frieden
Nuntius in Syrien: Verhandlungen mit IS über Geiseln im Gang
11/03/2015 10:57
Es wäre endlich mal eine schöne Nachricht geworden: Beinahe hätte die Terrorgruppe „Islamischer Staat“ IS fast alle in der Region Hassaké in Syrien entführten Christen freigelassen. Der Deal war schon perfekt – doch dann kam etwas dazwischen, erklärt der päpstliche Nuntius in Damaskus, Erzbischof Mario Zenari. „Seit Tagen waren die Verhandlungen für die Freilassung von 52 christlichen Familien abgeschlossen, die Freilassung sollte binnen fünf Tagen grüppchenweise erfolgen. Aber bevor die letzten drei Busse, die wie immer vom IS eskortiert wurden, das vereinbarte Ziel erreichten, gerieten sie in einen Hinterhalt; und soweit ich weiß, haben sie daraufhin weitere Personen aus drei Dörfern zu Geiseln genommen, um ihren Rückzug zu decken.“
Der Vertreter des Papstes in der syrischen Hauptstadt deutet an, dass jetzt wieder mit dem „Islamischen Staat“ verhandelt wird. „Ich bin nicht darüber auf dem Laufenden, wie sich die Verhandlungen entwickeln. Aber ich will hoffen, dass die Vernunft siegt. Es ist nicht das erste Mal, dass Zivilisten als menschliche Schutzschilde eingesetzt werden.“
Vor zwei Wochen waren über 250 Christen im Norden Syriens – am Fluss Khabur nahe der türkischen Grenze – von der Terrormiliz aus ihren Dörfern verschleppt worden; die jüngste Operation hat, bevor sie abgebrochen wurde, immerhin ein paar Dutzend Familien wieder die Freiheit verschafft. Wahrscheinlich waren es kurdische Kämpfer, die den Hinterhalt gelegt hatten. Die Nachrichtenagentur Asianews behauptet, für die Freilassung einer ersten Gruppe von 19 entführten Christen sei ein Lösegeld von umgerechnet rund 1.500 Euro je Person bezahlt worden.
Derweil geht der Bürgerkrieg in Syrien weiter, intensiv und mit wechselnden Fronten und Gruppen. „In den letzten Wochen hat sich der Konflikt verschärft – auch hier in Damaskus, mit Granateneinschlägen. In ein paar Tagen tritt Syrien, leider, ins vierte Bürgerkriegs-Jahr ein; hier steht unverändert Block gegen Block, alle Rufe nach einem Ende der Gewalt stoßen auf taube Ohren.“ Mit einiger Ironie kommentiert der Erzbischof von Damaskus aus, dass europäische Länder, zuletzt Großbritannien, versuchen, Dschihadisten an der Ausreise in Richtung Syrien oder Irak zu hindern. „Man könnte sagen: Da schließt man den Stall, wenn die Kühe schon alle weggelaufen sind… Aber dieser Zufluss von Dschihadisten von außen, vor allem aus dem Kaukasus und aus benachbarten arabischen Ländern, hat Syrien sehr geschadet. Diese Leute kennen nicht die Realität des Landes, auch nicht den Beitrag der Christen; den Zustrom dieser Dschihadisten zu stoppen, ist also ein dringender und nötiger Schritt.“
(rv 11.03.2015 sk)
Quelle:
http://www.radio-vatikan.de/