Eine „neue Welle der Wut“ werde ausbrechen, warnte Ägyptens Großmufti am Dienstag mit Blick auf die neue Ausgabe von „Charlie Hebdo“.
Das Titelblatt der Satirezeitschrift sei nicht geeignet, „dem Dialog zwischen den Zivilisationen zu dienen, den Muslime anstreben“, sagte der Leiter der obersten Religionsbehörde des Landes, Shawki Allam.
Die Zeichnung des Propheten Mohammed mit einem „Je Suis Charlie“-Schild in der Hand unter der Schlagzeile „Alles ist vergeben“ sei ein „durch nichts zu rechtfertigender provokativer Akt“, der “die Gefühle von anderthalb Milliarden Muslimen weltweit, die den Propheten lieben und respektieren“ verletze, monierte der Leiter von Dar al Ifta am Dienstag. Vergangene Woche hatte er das Massaker in der Redaktion in Paris mit den Worten kritisiert, „der Islam verurteilt jede Gewalt“.
So scharf der Blick des Großmuftis bei der mutmaßlichen Verletzung religiöser Gefühle sein mag, so unscharf ist er bei der Verurteilung von Menschenrechten im eigenen Land. Das ägyptische Strafrecht sieht vor, dass er bei Todesstrafen seine Zustimmung erteilen muss – in rechtsstaatlichen Kriterien nicht genügenden Verfahren wurden im vergangenen Jahr Hunderte Menschen von Gerichten in Minja und Kairo verurteilt. In allein 188 Fällen, in denen der berüchtigte Richter Nagi Shehata im Dezember Todesstrafen verhängte, muss der Dar-al-Ifta-Chef Allam bis zum 24. Januar sein Urteil abgeben.
Dass die Mehrheit der zum Tode bestraften Männer Mitglieder oder Anhänger der islamistischen Muslimbruderschaft sind, zeigt, wie es Militärmachthaber Abd al Fattah al Sisi gelungen ist, Justiz und Religionsbehörde auf seinen Kurs einzuschwören. In einer viel beachteten Rede forderte er zu Jahresbeginn eine „religiöse Revolution“. Die freilich wird von Staatsanwälten, Richtern und sunnitischen Gelehrten und Predigern vor allem als ideologische Fortführung des Kampfes gegen die Muslimbrüder des gestürzten Präsidenten Muhammad Mursi ausgelegt.
Einen moderaten Islam hervorgebracht hat das bislang nicht. Im Gegenteil: Die unter Mursi begonnene Verfolgung von Religionskritikern und Atheisten setzte sich seit der Machtergreifung Sisis im Juli 2013 fort. Erst am Wochenende verurteilte ein Gericht in Kairo einen Studenten zu drei Jahren Haft, weil er den Islam beleidigt haben soll. Er war mit einer Gruppe angeblicher Atheisten im November im Gouvernerat Beheira verhaftet worden. Einen Monat später schlug die Polizei auch in Kairo zu und schloss ein Café, das ein Staatsanwalt nach der Razzia als „Treffpunkt für Satansanbeter, teuflische Rituale und Tänze“ bezeichnet hatte.