kopten ohne grenzen

Durch Gebet und Wort für verfolgte Kopten

Wirtschaftsflüchtlinge aus Afrika und Südosteuropa wecken fremdenfeindliche Ressentiments 4. Dezember 2013

Filed under: Reportagen — Knecht Christi @ 15:42

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Die Politik sollte mit klugen Konzepten antworten. Denn zu stoppen ist die Migration nicht. 

 

Migrationsängste haben Konjunktur im vermeintlichen Paradies in der Mitte Europas. Neben den „Armutswanderern“ aus Bulgarien und Rumänien richten sie sich nach den jüngsten Katastrophen vor Lampedusa wieder verstärkt gegen sogenannte Wirtschaftsflüchtlinge und gegen Asylbewerber vornehmlich aus Afrika, aber auch aus anderen Regionen der Welt.  Opfer werden dabei zu Tätern abgestempelt: Menschen, die wirtschaftlicher Not, Krieg und Unterdrückung in ihren Heimatländern entfliehen wollten, verwandeln sich in den Augen vieler Deutscher und anderer Mitteleuropäer zu einer Bedrohung ihres eigenen Wohlstandes und der Sozialsysteme. Übersehen wird, dass es für Migranten, die aus existenziellen Gründen nach Europa drängen, oft nur die Alternative Flucht oder Verelendung gibt. Und vergessen wird meist auch, dass es all das auch in der deutschen Geschichte massenhaft gab.

Sie waren oft so arm, dass sie ihre Tickets nicht bezahlen konnten. Viele verkauften dafür im frühen 19. Jahrhundert auf Zeit Ihre Arbeitskraft, vermittelt von Kapitänen und Agenten – heute würde man sie Schlepper nennen.Viele der Millionen von Deutschen, die im überseeischen Massenexodus des 19. Jahrhunderts ihr Heil in der Neuen Welt suchten, würden heute in der  Schublade „Wirtschaftsflüchtlinge“ landen. Sie waren oft so arm, dass sie ihre Tickets nicht bezahlen konnten. Viele verkauften deshalb ihre Arbeitskraft, vermitteltet von Kapitänen und Agenten – heute würde man sie Schlepper nennen. Ausländische Wanderarbeiter aus Polen und Russland schufteten bis ins 20. Jahrhundert auf den Landgütern im preußischen Osten. Sie wurden dringend benötigt, zugleich aber als Einwanderer gefürchtet, weshalb man sie jährlich jeweils nur für begrenzte Zeit einreisen ließ. Eine neue millionenfache Einwanderungswelle gab es nach dem Zusammenbruch des Kommunismus und dem Ende der europäischen Teilung 1989/90. Dazu kamen Flüchtlinge vom Balkan als Folge der Kriege im ehemaligen Jugoslawien. Beides weckte neue Ängste vor einer Masseninvasion, die sich im Streit um das Asylrecht entluden.

 

 

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Australian government bans permanent protection visas for economic asylum seekers already in Australia, slamming the door shut on permanent residency for the 33,000 illegal boat arrivals

 

 

Urangst vor der Masseneinwanderung

 

Ähnlich ist es auch heute bei den oft menschenfeindlichen Aufwallungen gegen „Wirtschaftsflüchtlinge“ und „Armutswanderer“ aus  Afrika genauso wie aus Rumänien oder Bulgarien. Die Ankunft einer jungen Migrantenelite von gut- bis hochqualifizierten Zuwanderern aus den Krisenstaaten im Süden Europas hingegen wurde vor kurzem noch gefeiert, als Bereicherung für das aus demographischen Gründen schrumpfenden Arbeitskräfteangebot in Deutschland.  Jetzt aber geht wieder die Urangst vor der europäischen Ost-West-Migration und der außereuropäischen Süd-Nord-Wanderung um. Zu erleben war die Ost-West-Angst schon einmal, als Polen im Zuge der Osterweiterung 2004 in die EU kam. Auch damals befürchteten viele eine Masseneinwanderung polnischer Billigarbeiter. Als die siebenjährige Sperrfrist am Arbeitsmarkt in Deutschland im Mai 2011 endete, entpuppten sich die Ängste als weit übertrieben. An ihre Stelle trat das Bild der freundlichen polnischen Altenpflegerin, die jetzt auch legal kommen durfte.

 

 

Awwww, I guess the poor 'starving' Muslim welfare seekers will have to seek handouts elsewhere like Indonesia, a MUSLIM country

 

 

Entwicklungspolitik gegen Armutswanderung

 

Die Zuwanderung aus Polen ist noch immer weit höher als die aus den 2007 aufgenommenen EU-Staaten Bulgarien und Rumänien. Dennoch wird seit einiger Zeit das Schreckensszenario bulgarischer und rumänischer Armutsmigranten in das deutsche Sozialsystem ausgemalt, verstärkt durch den Alarmruf des Deutschen Städtetages vom Februar, der vor einer Überforderung der Kommunen warnte. Dabei zeigen Zahlen des Mikrozensus, dass die Zuwanderer aus Bulgarien und Rumänien keineswegs vorwiegend von Sozialtransfers leben. Vielmehr gehen etwa 80% von ihnen einer Erwerbsarbeit nach. Fast 50% davon sind qualifiziert, 22% sogar hochqualifiziert. Weniger als 10% sind arbeitslos, während die Erwerbslosenquote der Ausländer in Deutschland insgesamt bei 16,4% liegt. Das Gesamtbild relativiert allerdings nicht die Probleme der betroffenen Städte. Denn was sich dort gerade in sozialen Problemvierteln ballt, ist in der Tat häufig Armutseinwanderung oder sogar Elendsmigration, die die kommunalen Sozialetats überfordert. Das rechtfertigt freilich nicht populistische Pauschalisierungen, deren sich auch Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) bediente und die von der EU-Kommission mehrfach zurückgewiesen wurden. Dabei machte Brüssel jedoch seinerseits den gleichen Fehler, nämlich Gesamtdaten gegen die Erfahrungswerte der Städte in Stellung zu bringen, was dort, aber auch auf Bundes- und Länderebene, zu Recht Empörung auslöste.

 

 

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Die Zeit drängt

 

Besser als ein Streit um die Zahlen wäre ein Wetteifer um die richtigen Konzepte. Denn solange die großen Wohlstandsunterschiede zwischen West- und Süd-, vor allem aber Ost- und Südosteuropa existieren, und erst recht gegenüber den verarmten Ländern Afrikas, solange wird der Migrationsdruck anhalten. Er lässt sich durch immer schärfere Grenzkontrollen und Einreise- und Asylbestimmungen allenfalls dämpfen, aber nicht unterbinden. Dringend gebraucht werden daher verstärkte Integrations- und Bildungsinvestitionen in den Städten und Gemeinden, finanziert aus einem nationalen Sozialfonds. Nötig ist darüber hinaus auf EU-Ebene eine migrationsorientierte Entwicklungspolitik, um die wanderungstreibenden Faktoren in den Ausgangsländern zu bekämpfen, sowohl in Südosteuropa als auch in Afrika. Milliarden sind dafür schon in Bulgarien und Rumänien fehlinvestiert worden – in die Taschen korrupter Politiker und feister Sozialbürokratien, die nichts produziert haben außer Papieren. Fehlinvestitionen sind aber kein Grund, weitere Gelder zu verweigern, diesmal allerdings durch EU-Kommissare überwacht und streng konzeptorientiert.

 

Denn Gefahr ist im Verzug. Die Nagelprobe wird ab Januar 2014 kommen, wenn auch für Bulgaren und Rumänen die volle Freizügigkeit gilt. Wenn es nicht zu neuen fremdenfeindlichen Exzessen kommen soll, wie in den frühen 1990er Jahren, muss die Politik rasch und besonnen handeln, egal wer künftig die Bundesregierung stellt. Langfristig gilt das sowieso. Denn die Folgen des Klimawandels werden uns weltweit mit Fluchtbewegungen konfrontieren, wie es sie in der Menschheitsgeschichte seit prähistorischen Epochen nicht mehr gab. Spätestens dann wird das vordergründige Sortieren nach akzeptablen und nicht akzeptablen Wanderungsmotiven sein Ende finden. {Quelle: www.zeit.de – Ein Gastbeitrag von Klaus J. Bade}

 

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