kopten ohne grenzen

Durch Gebet und Wort für verfolgte Kopten

Der deutsche Islam wird debattierfreudig 21. Juni 2013

Filed under: Pater Zakaria & co. — Knecht Christi @ 17:45

Offen wie nie streiten die deutschen Muslime um ihr Gottesbild und die Chancen Andersgläubiger aufs Paradies, um Vorzüge eines strafenden Schöpfers und die Frage, ob sie selbst konservativ seien.

 

Um eine saftige Debatte in Gang zu bringen, braucht man einen, der „den Kopf hinhält und Beulen nicht scheut“. So soll einst Martin Walser über seinen Paulskirchenstreit gesprochen haben. Ob das zutrifft oder nicht, der Münsteraner Islamgelehrte Mouhanad Khorchide sieht es offenbar ähnlich. Jedenfalls initiierte er die wohl erste öffentliche, breite und rein innerislamische Debatte unter den Muslimen Deutschlands – indem er seinen Kopf hinhielt, sich weit vorwagte und Beulen nicht scheute. Den Auftakt machte er mit seiner Programmschrift „Islam ist Barmherzigkeit“, in der er allemal 1000 Jahre islamischen Gelehrtenmainstream abservierte, einen stramm humanistischen Reformislam verkündete und gegen dessen Gegner, die „konservativen Muslime“ Deutschlands, vom Leder zog: Auch ihr Glaube trage Züge hartherziger Gesetzlichkeit und sei punktuell dem Salafismus seelenverwandt.

 

 

 

 

 

 

Khorchide hat Einfluss

 

Für einen von Weite geprägten Islam müssten Koran und Prophetenworte dagegen neu ausgelegt werden – nach Maßgabe eines einzigen Glaubenssatzes: dass der Gott des Islam in erster bis dritter Linie der Barmherzige sei, so fordert Khorchide seitdem. Was auch immer in den heiligen Texten dem zu widersprechen scheint, das historisiert und relativiert er aus dem Weg – von Körperstrafen bis zur Hölle für Ungläubige. Sogar Atheisten werde der Barmherzige in sein Paradies aufnehmen, lehrt Khorchide. Denn vor Gott zählten allein „Liebe und Barmherzigkeit“, nicht der Glaube eines Menschen. Mit dieser Betonung göttlicher Barmherzigkeit ging er den meisten organisierten Muslimen zu weit. Und weil Khorchide als Ausbilder künftiger Islamlehrer Einfluss besitzt, wurden Repliken und Gegen-Repliken seitdem fast im Wochentakt und über Monate hinweg abgefeuert. Von den Islamverbänden. Von Unterstützern und Kritikern Khorchides. Und von ihm selbst.

 

 

 

 

 

 

Wem steht das Paradies offen?

 

Inzwischen neigt sich die Debatte ihrem Ende zu. Und ihr Ertrag zeichnet sich ab. Der besteht unter anderem in der Erkenntnis, dass im hiesigen Islam mehr Barmherzigkeit und Historisierungslust steckt, als die Islamkritik uns glauben machen will. Zwar wollten die Kritiker Khorchides seinem Barmherzigkeitsenthusiasmus eigentlich Grenzen setzen. Bei diesem Vorhaben entwickelten sie jedoch selbst Ehrgeiz in Sachen Großherzigkeit. So stimmten Experten des Zentralrats der Muslime (ZMD) und des Verbands Ditib Khorchide zu, dass keineswegs nur Muslimen das Paradies offen stehe. Vielmehr dürften alle „gottgläubigen und recht handelnden“ Menschen aufs Paradies hoffen. Man könne sogar diskutieren, ob ein Mensch seinen Glauben überhaupt aussprechen müsse, um vor Gott als gläubig zu gelten (womit sich sozusagen eine sperrangelweit geöffnete Hintertür zum Himmel auftäte). Eine „exklusivistische Haltung“ sei jedenfalls unislamisch, so attestierte der Ditib-Nord-Vorsitzende Zekeriya Altug.

 

 

 

Juristische Aussagen „kontextgebunden“ verstehen

 

Das Klischee vom hartherzigen Verbandsislam lockerte auch ZMD-Experte Mohammed Khallouk auf. Er pflichtete Khorchide bei, wer es an Liebe und Barmherzigkeit fehlen lasse, sei kein wahrhafter Muslim, auch wenn er alle islamischen Rituale noch so buchstabengetreu einhalte. Der Blick für derlei scheinmuslimische Heuchelei müsse geschärft werden. Khallouk und Altug bekannten sich auch zur Historisierung der heiligen Schriften. Gerade bei juristischen Aussagen des Korans sei es „menschendienlich“, den Text nicht buchstäblich, sondern „kontextgebunden“ zu verstehen. Diese historisierende Herangehensweise, mit deren Hilfe etwa Körperstrafen für obsolet erklärt werden können, sei auch durch und durch islamisch.

 

 

 

 

Bekannte Wortwahl

 

Noch eine zweite Einsicht lässt sich als Ertrag festhalten: Die großen Islamverbände haben ihre Rolle gefunden – als Fahnenträger einer konservativen Religionsapologetik. Allerdings unfreiwillig. Denn sie wehren sich mit Händen und Füßen dagegen, als „konservativ“ etikettiert zu werden. Doch das dürfte vergeblich sein. In ihrer Khorchide-Kritik besetzten sie jedenfalls klassisch theologisch-konservative Positionen. Und erinnerten bis in die Wortwahl hinein an die Relativismuskritik eines anderen Konservativen: Benedikts XVI. So warnten sie vor der „beliebigen und unverbindlichen Botschaft“, die „auf dem Altar des modernistischen Zeitgeistes“ islamische Substanz opfere (Altug). Khorchide segle unter „dem Banner der Beliebigkeit“, wenn er Gott „auf ein niedliches, harmloses Wesen“ reduziere, das vielleicht „auf Kirchentagen“ reüssieren könne (so der niedersächsische Schura-Vorsitzende Avi Altiner). Und damit folge der Gelehrte auch dem Irrweg christlicher Theologen in Europa, die der Kirchenlehre widersprächen, um sich „der kirchenkritischen Presse“ anzudienen – obwohl sie nur dem Relativismus in die Hände spielten (Khallouk).

 

 

 

 

K-Wort als Verbalkeule

 

Diesem vermeintlichen Verfall des liberalen europäischen Christentums setzen Khorchides Kritiker ihr Gottesbild entgegen – zu dem neben der Barmherzigkeit auch die Gerechtigkeit Gottes gehört. Soll heißen: Nicht jeder Nihilist und Götzenanbeter dürfe mit Vergebung rechnen. Zudem mache es die Predigt eines nur lieben Gottes ungleich schwerer, dem Schöpfer mit der gebotenen Ehrfurcht zu begegnen. Kurz: Der Glaube an die Hölle habe auch seinen pädagogischen Wert – auch dieses Argument hört man bei konservativen Katholiken und Evangelikalen nicht selten. Gleichwohl verbaten sich die Verbände, als konservativ „gebrandmarkt“ zu werden. Das ist aus ihrer Sicht verständlich, haben sie das K-Wort doch zu Recht als Verbalkeule identifiziert. Schließlich wird der Begriff von ihren Kritikern stets mit mangelnder Intellektualität und herzloser Gesetzlichkeit verbunden. Obendrein wirken die hiesigen Konservativen in der Tat fast libertär im Vergleich zu den Gruppen, die sich von Nigeria bis Indonesien als islamisch-konservativ bezeichnen. Allein: Hierzulande zählt nicht der weltweite, sondern der deutsche Bezugsrahmen, hält die liberale Muslima Lale Akgün dagegen. Und in dem wirkten die Verbände eben doch – theologisch konservativ.

 

 

 

Kontroverse mit Selbstkritik

 

Noch eine dritte Einsicht förderte der islamische Barmherzigkeitsstreit zutage: Der deutsche Islam wird debattierfähig. Lange galt islamkritischer Diskurs als Privileg professioneller Islamkritiker, die entweder keine praktizierenden oder gar keine Muslime sind. Damit ist Schluss. In sozialen Medien, Blogs und türkischen Zeitungen, quer durch die Verbände und bis hinein in Moscheegemeinden ist nun unter gläubigen Muslimen eine substanzielle theologische Kontroverse entbrannt – mit allem, was dazugehört: mit Spielregeln, Selbstkritik und Erkenntnisfortschritten. So korrigierten und präzisierten sowohl Khorchide als auch einige seiner Kritiker einzelne Positionen im Lauf ihres Disputs. Und zumindest drastische Verstöße gegen das Regularium freier Debatten wurden ebenfalls geahndet. Als ein Vertreter der Gemeinschaft Milli Görüs im Tonfall einer Exkommunikation schimpfte, Khorchide möge „Reue“ zeigen und „sich wie ein Muslim verhalten“, da wurde er von anderen Verbänden, aber auch von der Milli-Görüs-Spitze zu behutsamerer Wortwahl aufgerufen. Offen ist allerdings, ob Khorchide noch einmal seinen Kopf hinhalten und Beulen nicht scheuen würde, um wertvolle Debatten in Gang zu bringen. Ein Trost immerhin bleibt ihm: Martin Walsers Bücher verkauften sich nach seiner Paulskirchenrede besser als zuvor. {Quelle: www.welt.de – Von Till-R. Stoldt}

 

 

 

 

 

One Response to “Der deutsche Islam wird debattierfreudig”

  1. Bazillus Says:

    Hier ist es wieder: Das Vorurteil eines liebenden Gottes, der keine Ablehnung der Seelen kennt, deutlich an folgenden Sätzen:

    Zudem mache es die Predigt eines nur lieben Gottes ungleich schwerer, dem Schöpfer mit der gebotenen Ehrfurcht zu begegnen. Kurz: Der Glaube an die Hölle habe auch seinen pädagogischen Wert – auch dieses Argument hört man bei konservativen Katholiken und Evangelikalen nicht selten.

    1. Gott liebt alle seine Geschöpfe, aber nicht alle seine Geschöpfe lieben ihn. Und diejenigen, die sich in absoluter Freiheit gegen ihn entscheiden, wird dieser Gott dieses Ansinnen respektieren. Er wird ihn nicht zum Glauben an ihn zwingen! Er wird ihn zwar in seiner Nähe haben wollen. Da der Mensch jedoch nicht in seiner Nähe sein will, wird er (der Mensch) erkennen, in welchem Zustand er seine weitere jenseitige Existenz verbringen will. Gott ist zwar ein Gott der Liebe, er verzeiht auch, aber nur, wenn er in einer Seele auch nur einen Ansatz von Umkehr, von Hinwendung, von Reuehaltung findet. Wo bitteschön steht geschrieben, dass einem nur liebenden Gott keine Ehrfrucht entgegengebracht wird? Welche Fehldeutung der Liebe Gottes. Wem soll sonst Ehrfurcht entgegengebracht werden. Einem Gott der Drohung, der Hass- und Racheverkündigung? Dieser Gott ist m. E. ein Gott, der direkt aus dem Gehirn von männlichem Selbstverständnis entsprungen ist.

    2. Wir glauben nicht an die Hölle wie wir an Gott glauben. Uns ist die Hölle als Seelenzustand und der Satan als personifizierter Höllenbewohner von Jesus sogar eindringlich vor Augen gehalten worden. Glauben bedeutet: Sein Leben nach diesem Glauben ausrichten. Wenn die Hölle im wahrsten Sinne geglaubt wird und nicht lediglich die Hölle als Existenz der ewigen Gottferne erkannt wird, nicht mehr und nicht weniger, ist dies wirklich der falsche Weg. An die Hölle glauben ist somit nicht dasselbe wie die Existenz der Hölle anerkennen. Meinen Glauben richte ich auf Gott aus, auch wenn es mir nicht immer gelingt. Die Hölle ist somit für mich marginal geworden. Satanisten glauben an Luzifer als den Herrn der Welt. Sie richten ihren Glauben nach dessen Regeln aus. Das ist ein folgenschwerer Falschansatz in der Seelenlage eines Menschen. Der Glaube an die Höle hat somit absolut keinen pädagogischen Wert als den der Angsterzeugung. Wir müssen die Hölle zwar erkennen, aber ihr keinen Raum in unserer Seele bereitstellen. Unser Seelenraum gehört Gott, nicht seinem elenden kleinen und machtlosen Widersacher.

    Und was hat dieses Verständnis nun mit „progressiv“ und „konservativ“ zu tun? Wenn ich nur aus Angst vor der Existenz der Hölle an Gott glaube, so ist dieser Glaube von Angst getragen und nicht im Sinne Gottes, der sich selbst in Jesus ein Mahmal der absoluten Gottesliebe hier auf Erden gesetzt hat. Möglicherweise wird diese angstvolle Seele in den Himmel gelangen. Aber sie hat ein unerfülltes Leben hier auf Erden gelebt. Sie hat sich nicht von der Liebe Gottes tragen lassen, sondern hat ihr Leben von der Angst vor Luzifer bestimmen lassen uns sich somit selbst in Unfreiheit begeben.


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