kopten ohne grenzen

Durch Gebet und Wort für verfolgte Kopten

Der blinde Fleck der Israelkritik 14. Januar 2013

Filed under: Pater Zakaria & co. — Knecht Christi @ 17:38

Und wenn die Araber unseren Frieden nicht wollen?

 

Gegen eine paternalistische Sicht auf den Krieg um das Heilige Land!

 

Im Taxi von Jerusalem nach Bethlehem. Der arabische Fahrer redet auf uns ein, wie es alle tun, beklagt das Unrecht, das „die Juden“ seinem Volk antun, findet anerkennende Worte für die Art, wie wir Deutschen mit ihnen fertig geworden seien, und meint: „In der Bibel können Sie nachlesen, wie aggressiv die Israelis sind. Sie haben von den Philistern gehört. Das sind unsere Vorfahren. Deshalb heißt unser Land ja Filistin. Ständig hat Simson unsere Städte überfallen. Und im Tempel von Gaza hat er ein Selbstmordattentat verübt“. Der Fahrer hat sich in Rage geredet, als erzähle er von Dingen, die erst gestern passiert seien, und als habe der geblendete und angekettete Simson ein muslimisches Heiligtum zum Einsturz gebracht, und nicht eine pagane Opferstätte für den syrischen Wettergott Dagon. Nirgendwo ist die Geschichte so sehr Gegenwart wie im Heilig-Unheiligen Land zwischen dem Jordanfluss und dem Mittelmeer.

 

Es ist die Blindheit für diese Gegenwart von Geschichte, für die langen Linien des Stolzes und des Ressentiments, die uns Europäern oft das Verständnis für das Vertrackte der Probleme versperrt. Wir haben ja, wie Nietzsches „letzte Menschen“, die Geschichte überwunden. Wir verstehen nicht mehr, wie junge Männer singend in den Tod gehen konnten wegen der „Erbfeindschaft“ zwischen Deutschland und Frankreich. Selbst der Kalte Krieg erscheint uns kaum noch begreiflich, obwohl wir noch vor wenigen Jahrzehnten bereit waren, wegen dieses Konflikts die ganze Welt in den atomaren Abgrund zu reißen. „Man ist klug und weiß Alles, was geschehen ist: so hat man kein Ende zu spotten. Man zankt sich noch, aber man versöhnt sich bald – sonst verdirbt es den Magen. Man hat sein Lüstchen für den Tag und sein Lüstchen für die Nacht: aber man ehrt die Gesundheit. ‚Wir haben das Glück erfunden‘ – sagen die letzten Menschen und blinzeln.“ So Nietzsches Zarathustra. Dass es Völker, Nationen oder Religionen gibt, die nicht so denken und fühlen, irritiert uns. Und zu Recht. Die Europäer haben das Glück erfunden, und es besteht in der Langeweile. Glücklich das Land, das keine Helden nötig hat. So sah es Bertolt Brecht, der Prophet der letzten Menschen, und er hatte recht. Und doch gibt es Völker, Nationen und Religionen, die in heroischen Dimensionen denken und fühlen. Dazu gehören die Araber.

 

 

Wer das nicht begreift, versteht auch den Konflikt um Israel nicht. Denn man kann ihn nicht begreifen, ohne wenigstens die Möglichkeit ins Auge zu fassen, dass die Araber – oder sehr viele unter ihnen – keine „Lösung“ im europäischen Sinne wollen. Dass ihnen das Angebot einer Zweistaatenlösung wie eine Beleidigung vorkommt. Dass sie sich sagen: „Wir sind die Abkömmlinge Ismaels, des Erstgeborenen unseres Urvaters Abraham. Ihm ist dieses Land von Gott verheißen worden – also uns, seinen Erben. Wir haben die Weltreiche der Griechen, Perser und Römer überdauert. Wir haben die Kreuzfahrer kommen und gehen sehen. Wir warfen die Türken heraus, und nach ihnen die Briten und Franzosen. Wir werden auch da sein, wenn die Amerikaner und das zionistische Gebilde verschwunden sind“. Um es paradox zu formulieren: Die aggressive Ungeduld mit Israel entstammt oft feiner paternalistischer Unterschätzung der Araber, die auf ihre Art nicht weniger rassistisch als die Judenfeindlichkeit – im Wortsinn „antisemitisch“ – ist. So wie manche Verschwörungstheoretiker nach 9/11 den Mossad oder die CIA für die Anschläge verantwortlich machten, weil sie arabischen Terroristen eine solche logistische Meisterleistung nicht zutrauten, glauben viele Westeuropäer (und nicht wenige, vor allem aus Westeuropa stammende Israelis), es liege allein am guten oder bösen Willen Israels, ob im Nahen Osten Frieden herrsche oder Krieg.

 

Ein Stopp des Siedlungsbaus, ein Abbau der Checkpoints, die den Arabern das Leben schwer machen, eine Lockerung des Grenzregimes um Gaza, schließlich die Teilung Jerusalems, die Anerkennung des palästinensischen „Rechts auf Rückkehr“ und „Palästinas“ als Staat neben Israel: Kann das so schwer sein? Ist das am Ende nicht ein kleiner Preis, den man um des Friedens Willen zahlen sollte? Und wie soll man sich die Weigerung der gegenwärtigen israelischen Regierung, auch nur eine Anzahlung auf diesen Preis zu leisten, anders erklären denn als die schon von Jahwe bemängelte jüdische Verstocktheit oder als Ausdruck einer „wahrhaft alttestamentarischen“ Politik des Aug um Auge, Zahn um Zahn, ganz anders als die Angewohnheit christlicher Nationen, die andere Backe hinzuhalten.

 

 

 

 

Die Araber erscheinen in dieser Sicht der Dinge wie Kinder in der behavioristischen Psychologie eines B.F. Skinner, wie Frauen in der Sicht der viktorianischen Männerwelt oder wie Sklaven in der paternalistischen Ideologie aufgeklärter Sklavenhalter: Wenn man sie nett behandelt und gutes Verhalten belohnt, werden sie sich auch nett benehmen. Übrigens war auch der Begründer des Zionismus Theodor Herzl nicht immun gegen diese eurozentrische Sichtweise. In seinem utopischen Roman „Altneuland“ (1902) werden die jüdischen Siedler in Palästina unter der wohlwollenden Herrschaft des Osmanischen Reichs nicht von einem Staat, sondern von einer Art Großkonzern regiert. Die Araber sehen die jüdische Zuwanderung gern, bringt sie doch den zivilisatorischen Fortschritt: Medizin und Bildung, Verkehr und Technik, Wohlstand und Tourismus. Wozu braucht’s da eine Armee?

 

Dass die Araber – oder besser: ihre politischen Führer – eine eigene Agenda haben könnten, das war in dieser utopischen Vision nicht vorgesehen. Es war der Revisionist Wladimir Zeev Jabotinsky, der den erbitterten Widerstand der Araber gegen eine jüdische Besiedlung Palästinas ebenso vorhersah wie die Vernichtung der osteuropäischen Juden und darum die Notwendigkeit einer jüdischen Armee und einer massiven jüdischen Einwanderung nach Palästina betonte. Jabotinsky und seine Schüler – wie etwa Menachim Begin, der den Likud gründete – sind nicht die sympathischsten Gestalten des Zionismus. Aber Realisten sind selten sympathische Leute. Zu den jüdischen Kritikern der Revisionisten gehören die Philosophin Hannah Arendt, der Physiker Albert Einstein und der Dichter Erich Fried, der Begin mit Reinhard Heydrich verglich.

 

Womit wir bei Jakob Augstein wären, ohne dass wir lange bei diesem intellektuell eher durchschnittlichen Vertreter der Israelkritik lange verbleiben wollen. Wie die meisten Israelkritiker weiß er weder von Israel noch vom Judentum besonders viel; noch weniger aber vom Islam und von den Arabern. Wer etwa Augstein im April dieses Jahres bei der Diskussion mit dem Vertreter des Islam-Punks Michael Muhammad Knight erlebte, musste sich Sätze anhören wie: „Wenn sich der Islam modernisieren will, muss er seine Verbindung zur arabischen Kultur kappen … Es gibt einen Widerspruch zwischen Islam und Moderne … Der Islam kommt meistens eher antisemitisch rüber.“ Es sind die Belehrungen eines „letzten Menschen“, die der amerikanische Moslem eher achselzuckend über sich ergehen ließ, anders als die modernen deutschen Muslime im Publikum, die sich lautstark über so viel blasierte Besserwisserei empörten.

 

Wohlgemerkt: die Träume der Araber verstehen heißt nicht, sie zu teilen. Im Gegenteil. Es heißt aber anzuerkennen, dass möglicherweise ein Benjamin Netanjahu mehr Achtung vor seinen Feinden hat als der gewöhnliche europäische Nahostexperte vor den Arabern. Und mehr Ahnung von dem Land, das Juden, Christen und Muslimen heilig ist und das als erste Provinz des römischen Imperiums – schon zwei Jahre nach dem Tod des Propheten – von den arabischen Heeren überrannt wurde. Übrigens unter dem Beifall der dort lebenden Juden, denen der christliche Kaiser Justinian die Zwangstaufe verordnet und bei Todesstrafe das Betreten Jerusalems verboten hatte, was Papst Benedikt XVI in seiner Regensburger Rede merkwürdigerweise zu erwähnen vergaß. Es heißt anzuerkennen, dass die Araber nicht ohne Weiteres bereit sind, mit Israel ihren Frieden zu machen. Es heißt anzuerkennen, dass manche Probleme keine Lösung haben, sondern eine Geschichte. Dass es keinen „quick fix“ gibt und dass für Israel schon das Überleben Tag für Tag einen Sieg darstellt. Dass die leichtfertige Preisgabe der Position, die Sicherheit des jüdischen Staats sei Teil der deutschen Staatsräson, den Frieden nicht näher bringt, sondern in weitere Ferne rückt, weil es den unrealistischen Traum vom Verschwinden des Judenstaats befördert.

 

Nietzsche sprach anerkennend von den Menschen, die das „Chaos in sich“ haben und „einen Stern gebären“ wollen. Sie haben Europa verwüstet, bevor sie ihn den letzten Menschen überließen. Die Albträume des Chauvinismus und Faschismus, des Nationalsozialismus und Kommunismus wurden ja auch nicht durch runde Tische gebannt, sondern durch Krieg und Erschöpfung. Am Badestrand von Herzliya reden wir mit dem jungen Mann vom Sicherheitsdienst, der mit seinem Gewehr die Badenden bewacht. Er kommt aus einem nahe gelegenen arabischen Dorf. „Versteht mich nicht falsch“, sagt er, „ich habe nichts gegen euch Deutsche wegen der Dinge, die ihr den Juden angetan habt. Vielleicht hätten wir das auch machen sollen. Aber jetzt ist es zu spät. We fucked up“. Wir haben Scheiße gebaut, unsere Chance vertan. Ein echter Friedenswille wäre schön, bis dahin tut’s wohl diese Einsicht. Wenn die Araber mehrheitlich so abgeklärt sind wie dieser junge Mann, gibt es Frieden im Heiligen Land. Vielleicht. {Quelle: www.welt.de – Von Alan Posener}

 

 

 

 

 

Schwerer Vorwurf gegen Rüpel-Rapper

 

Innenminister Friedrich: Bushido sät mit Palästina-Karte Hass

 

 

 

Twitter-Zoff um Bushido: Auf dem Profil des Rappers ist eine stilisierte Nahost-Karte ohne Israel zu sehen. Nach Ansicht von Innenminister Friedrich müsse Bushido dieses Bild sofort entfernen und nennt dafür einen Grund. Die Karte mit dem Schriftzug „Free Palestine“ (Befreit Palästina) zeigt die palästinensischen Farben, jedoch nicht das Gebiet Israels. „Dieses Kartenbild dient nicht dem Frieden, sondern sät Hass“, sagte Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich der „Bild am Sonntag“. Bushido müsse dieses Bild sofort von seiner Twitter-Seite entfernen, sonst könne er nicht länger als Beispiel für gelungene Integration dienen. Der CSU-Politiker mahnte Bushido, sich seiner Verantwortung bewusst zu werden. Der 34 Jahre alte Rüpel-Rapper hatte 2011 einen Bambi für gelungene Integration erhalten und damit eine Kontroverse ausgelöst. Die Vorsitzende der Stiftung Tribute to Bambi, Patricia Riekel, sagte der Zeitung jetzt: „Wir prüfen den Vorfall und werden dementsprechend reagieren“. {Quelle: www.focus.de}

 

2 Responses to “Der blinde Fleck der Israelkritik”

  1. carma Says:

    guter kritischer artikel, warum die „stürmer-cartoons“ dennoch soviel raum einnehmen, verwundert umso mehr.
    thema bushido: auf dieses niveau ist man allerorten herabgesunken – diese abartige polit-rapp-„kultur“ war schon in den usa größtenteils von muslim-gangster“stars“ in szene gesetzt, was man der sexistischen frauenverachtung und dem kitschigen bzw. trashigen superego-style unschwer erkennen kann. die schwarze subkultur der usa hat weltweit ganze generationen verblöden und hyperaggressiv werden lassen!
    sklaverei und rassendiskriminierung gab u. gibt es in afrika selbst, am übelsten aber war es in südamerika. trotzdem haben sich dort nie solche radikalen gegenkulturen wie im norden/westen gebildet, obwohl der überlebenskampf dort weitaus härter ist.
    niemand zwingt jemanden, sich von jugend an mit drogen vollzupumpen, dämlichen getthorappern hinterherzulaufen und kriminalität für cool zu halten. man kann seinen ort auch verlassen, wenn sich keine perspektiven zeigen oder seine wohngegend gemeinschaftlich organisieren, um verbesserungen zu erreichen.
    aber eigenverantwortng, fleiß, disziplin und bildungsinteresse sind verpönt – lieber hasst und neidet man den erfolgreicheren ihren mühselig erworbenen lebensstil und lässt seine eigenen kinder verkommen. ähnlich ticken auch die linken „aussteiger“ namentlich in europäischen großstädten, wenn dann der zug irgendwann abgefahren ist, steigt die wut hoch – und man trämt von der revolution.
    solange (nicht nur) in der „dritten“ welt nicht einmal ein prozent der bevölkerung weiß, wie eine simple glühbirne funtioniert, geschweige denn, wie sie hergestellt wird, werden alle geldmittel und förderungen buchstäblich versanden…


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