Das Bundeskabinett hat am Mittwoch in Berlin das Gesetz zur Strafbarkeit der Sterbehilfe auf den Weg gebracht.
Der Entwurf von Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) sieht vor,
die gewerbliche Hilfe zum Suizid unter Strafe zu stellen.
Wer mit Beihilfe zum Selbstmord Geld verdient,
müsste demnach mit bis zu drei Jahren Gefängnis
oder einer Geldstrafe rechnen.
Der Entwurf, der nun in die parlamentarische Beratung geht,
war bei Kirchenvertretern, Unionspolitikern, Patientenorganisationen und Ärzten auf Kritik gestoßen.
Von einer Ausweitung der Hilfe zur Selbsttötung könne keine Rede sein, trat Ministerin Leutheusser-Schnarrenberger Besorgnissen entgegen. Es werde nichts erlaubt, was heute strafbar sei. Vielmehr stelle der Entwurf unter Strafe, was heute nicht strafbar sei. Kommerzielle Sterbehilfe könne Menschen dazu verleiten, sich das Leben zu nehmen, die dies ohne ein solches Angebot vielleicht nicht täten. Die Ausnahmen von der Strafbarkeit seien eng begrenzt, stellte die Ministerin klar: Wenn der Sterbewillige kommerzielle Sterbehilfe in Anspruch nimmt, machen sich Angehörige, Freunde oder nahestehende Personen, die ihn dabei bis in den Tod begleiten, nicht strafbar. Darunter fällt beispielsweise die Fahrt zu einem kommerziellen Sterbehelfer. Leutheusser-Schnarrenberger sagte, diese Angehörigen verdienten in der Regel Respekt und sollten „nicht plötzlich als ‚Gehilfe‘ des Suizidhelfers kriminalisiert werden, obwohl sie selbst überhaupt nicht gewerbsmäßig handeln“. Auch für Ärzte ändere sich nichts an der Rechtslage, betonte die Ministerin. Die Ärzteschaft hatte gewarnt, der Gesetzentwurf biete ein Schlupfloch, das die Beteiligung von Medizinern an einer Selbsttötung ermögliche, sofern sie dem Patienten nahestehen. In ihren Standesregeln haben sich die Ärzte verpflichtet, sich nicht an der Vorbereitung oder Ausführung von Suiziden zu beteiligen. Tötung auf Verlangen ist ohnehin strafbar. Die privaten Pflegeanbieter kündigten an zu prüfen, ob der Gesetzentwurf Auswirkungen auf die Pflege habe. Pflegekräfte hätten oft langjährige Vertrauensbeziehungen zu ihren Patienten. Sie dürften nicht in einen unlösbaren Konflikt gebracht werden, sagte Verbands-Präsident Bernd Meurer. „Es darf kein Geschäft werden, Menschen zum Tode zu bringen“, sagte der Vorsitzende des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Nikolaus Schneider. Zugleich verwies der rheinische Präses im Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd) aber auf die Grenzen des Strafrechts bei ethischen Konflikten: „Man kann nicht alles in Gesetzen regeln“.
Schneider äußerte sich skeptisch zu den Ausnahmen von der Strafbarkeit für einem Sterbewilligen nahestehende Personen. „Wie wollen Sie definieren, wann ein nahes Verhältnis zwischen Arzt und sterbendem Patienten besteht?“ fragte der evangelische Theologe. Im Standesrecht der Mediziner sei als oberstes Gebot festgehalten, dass Leben zu retten und zu erhalten ist. „Ich vertraue darauf, dass Mediziner, Pflegekräfte und Angehörige unter dieser Maxime ethisch verantwortlich entscheiden und handeln“, sagte Schneider. Die Patientenschutzorganisation Deutsche Hospiz Stiftung kritisierte, der Gesetzentwurf schaffe gefährliche Freiräume und stärke die Befürworter der Hilfe zur Selbsttötung. „Man muss kein Prophet sein, um zu wissen, dass jetzt schnell der Ruf nach Zulassung von tödlichen Medikamenten laut wird“, sagte Geschäftsführer Eugen Brysch. Es sei offenbar politischer Wille der Justizministerin, Tötung auf Verlangen zu legalisieren. {Quelle: www.jesus.de}
Sterbehilfe in Deutschland
Ein Recht auf Todesmittel?
Ist es menschenrechtswidrig,
dem Ehemann einer fast vollständig gelähmten,
lebensmüden Frau ein tödliches Medikament zu verweigern?
Mit dieser Frage befasst sich der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg.
Der 67 Jahre alte Witwer der Frau, die sich schließlich mit Hilfe der Organisation Dignitas 2005 in der Schweiz das Leben nahm, hat gegen Deutschland Menschenrechtsbeschwerde erhoben. Er hatte vergeblich versucht, vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte ein Mittel zu erhalten, um seiner querschnittsgelähmten und künstlich beatmeten Frau den Tod zu ermöglichen. Der Witwer beschritt ferner erfolglos den deutschen Rechtsweg. Er sieht in der Weigerung des Bundesinstituts einen Verstoß gegen das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens und besonders gegen das Recht auf einen würdigen Tod. Zudem beklagt sich der Beschwerdeführer in Straßburg darüber, dass die deutschen Gerichte sein Recht auf eine wirksame Beschwerde verletzt hätten: Ihm sei das Recht abgesprochen worden, die Weigerung des Bundesinstituts anzufechten (Fall Koch, Aktenzeichen 497/09). Aus Sicht der staatlichen Einrichtung dagegen stellte sich der Wunsch nach Selbsttötung als ein Verstoß gegen das Betäubungsmittelgesetz dar.
Deutschland bezweifelt
das Recht des Beschwerdeführers
Die Bundesregierung nimmt den Fall ernst. Sie sieht aber in dem staatlichen Verhalten keinen Verstoß gegen die Menschenrechtskonvention. Es gehe hier nicht um die – straflose – Selbsttötung oder die ebenso straflose Beihilfe hierzu, sondern um die Frage, ob es einen Anspruch auf Unterstützung des Staates dazu gebe. Das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens umfasse nicht die Verpflichtung des Staates, den Erwerb eines tödlichen Medikaments zu erlauben. Immerhin war es die ursprüngliche Absicht der Frau des Beschwerdeführers, in der Schweiz mit Hilfe von „Dignitas“ zu sterben – erst jene Organisation hatte dann vorgeschlagen, dass die Frau zunächst versuchen solle, das notwendige Mittel in Deutschland zu erhalten. Die Staaten des Europarats haben nach Ansicht Deutschlands vielmehr die Pflicht, Leben zu schützen, was sich auch aus der Rechtsprechung des Straßburger Gerichtshofs ergebe. In der Bundesregierung wird auch auf den breiten Spielraum verwiesen, den die Staaten in solchen Fällen hätten. In dem Fall Pretty gegen Großbritannien hatte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte im Jahr 2002 entschieden, dass die Pflicht des Staates, Leben zu schützen, nicht in ein Recht des Individuums zu sterben uminterpretiert werden könne. Das Menschenrecht auf Leben enthalte nicht das Recht, den Tod dem Leben vorzuziehen. Schließlich bezweifelt Deutschland das Recht des Beschwerdeführers, sich in Straßburg gegen einen angeblich in Deutschland fehlenden Rechtsschutz zu wehren – schließlich habe seine Frau zu ihren Lebzeiten von den verfügbaren Mitteln keinen Gebrauch gemacht. Hier ist zu berücksichtigen, dass die Frau des Beschwerdeführers starb, bevor ihr Fall auch nur vor deutschen Gerichten anhängig gemacht wurde. {Quelle: www.faz.net – Von Reinhard Müller}