Slogan der Moslembrüder: „Mohamed ist unser Führer, der Koran ist unsere Verfassung, der Dschihad ist unser Weg und der Tod für Allah ist unser Wunsch„!
Die syrischen Rebellen bedienen sich gern kampferprobter Islamisten.
Mehrere Anschläge gehen „vermutlich“ auf ihr Konto.
Doch sie haben eine eigene Agenda,
die Israel auf den Plan rufen könnte.
Rund 30 Männer in Masken posieren martialisch mit Kalaschnikows. Eine Stimme spricht vom Anschluss an die Freie Syrische Armee (FSA) und verkündet „die Bildung von Selbstmörderzellen, um den Heiligen Krieg im Namen Gottes zu führen“. Eines von mehreren Videos im Internet, die eine Beteiligung der radikal-islamischen Terrorgruppe al-Qaida am syrischen Bürgerkrieg nahelegen. Ayman al-Sawahiri, der neue Chef der Gruppe nach dem Tod von Osama Bin Laden, hatte Anfang dieses Jahres die „syrischen Revolutionäre“ als „Löwen des Levante“ gepriesen und Solidarität versprochen. Kurz nach seiner Audiobotschaft bestätigte James Clapper, der Chef des nationalen Geheimdienstes der USA, dass eine Serie von Bombenattentaten in syrischen Städten „deutliche Kennzeichen von al-Qaida“ aufwiesen. Sechs Monate später hat Syrien 35 Autobomben und zehn Selbstmordattentate gesehen. Eine gewisse Al-Nusra-Front, die sich für vier der Selbstmordbomben verantwortlich erklärte, bekennt sich zu al-Qaida. Nach eigener Aussage sprengte die Gruppe Regierungsgebäude, Polizeistationen und den Regierungssender al-Achbariya in die Luft, „der den Tyrannen Tag und Nacht glorifiziert“ habe. Sieben TV-Mitarbeiter wurden getötet. Andere Gruppen, die Verbindungen zu al-Qaida haben, nennen sich „Abdullah Azzam“ oder „Ibn Malik Märtyrer Brigaden“.
Grenze zum Irak offenes Tor für Terroristen
„Al-Qaida operiert in Syrien wie sie es im Irak tut“, versicherte Izzat al-Shahbandar, ein Mitarbeiter des irakischen Premiers. „Wir sind sicher, dass unsere Namen der Gesuchten mit denen der syrischen Behörden übereinstimmen“. Irak und Syrien sind Nachbarländer, und die 600 Kilometer lange gemeinsame Grenze ist kaum zu überwachen. Viele Waffen und Munition für die FSA werden aus dem Irak nach Syrien geschmuggelt. Es ist auch ein offenes Tor für Terroristen. Im Vergleich zur FSA fällt al-Qaida zahlenmäßig sicher nicht ins Gewicht. An der strategischen Kriegführung gegen das Regime von Präsident Baschar al-Assad hat die Organisation kaum oder keinen Einfluss. Aber ihre Bombenanschläge haben verheerende Auswirkungen.
Repressalien gegen Christen
Eine wesentlich wichtigere Rolle spielen andere islamistische Gruppierungen innerhalb der FSA. Die Armee aus Deserteuren und Freiwilligen ist ein Sammelbecken für viele radikale sunnitische Gruppen ganz unterschiedlicher ideologischer Ausrichtung. Allen gemein ist, das sie Anhänger einer antiquierten und puristischen Auslegung des Islam sind. Auf ihr Konto geht die Vertreibung Tausender Christen aus syrischen Städten sowie Gewalt und Repressalien gegen nicht sunnitische Muslime. Das spektakulärste Attentat war sicherlich jenes auf das Nationale Sicherheitshauptquartier in Damaskus. Dabei wurden vor zwei Wochen vier hohe Regierungsbeamte, darunter der Schwager von Präsident Assad, getötet. Die Verantwortung übernahm Liwa al-Islam (Brigade des Islam). Ihre Sayyed-al-Schuhada-Brigade habe „den Krisenstab des Regimes als Ziel gewählt“. Liwa al-Islam soll auch für Übergriffe gegen die christliche Bevölkerung in Damaskus verantwortlich sein. Fides, die Nachrichtenagentur des Vatikans, berichtete, die Attentäter von Damaskus hätten auf der Flucht Christen aus ihren Autos gezerrt und auf offener Straße erschossen. Einer der Anführer der Islam-Brigade ist der Libyer Mehdi al-Hatari. Er war der Stellvertreter von Abdelhakim Belhadsch, dem Militärchef der libyschen Hauptstadt Tripolis. Belhadsch führte die Libysche Kampfgruppe (LIFG) und kämpfte auf Seiten der Taliban sowie al-Qaida in Afghanistan und im Irak. Al-Hatari und seine persönliche Brigade sind nun in der syrischen Stadt Idlib aktiv. „Im Norden des Landes, in der Gegend von Aleppo bis nach Lattakia am Mittelmeer, gibt es nicht viele islamistische Bataillone“, sagte ein Rebellenkommandeur im türkischen Antakya. „Im Süden dagegen sind sie sehr aktiv.“ In der Stadt Koser bei Homs, die seit Monaten heftig umkämpft ist, bilden Brigaden von selbsterklärten Salafisten ein Drittel der Streitkräfte der FSA.
Israel und die „rote Linie“
All diese islamistischen Kämpfer kämpfen nicht aus Idealismus und Freiheitsliebe gegen den syrischen Diktator. Sie haben eine islamistische Agenda, die sich gegen alle Herrschafts- und Gesellschaftsformen richtet, die nicht ihrer eigenen, idealisierten und einzig von islamischen Gesetzen und Grundsätzen geprägten Lebensform entsprechen. Insofern ist nicht nur Assad ihr Feind, sondern auch jede pluralistische, demokratische, nicht islamische oder freiheitlich organisierte Gesellschaftsstruktur. Auch und vor allem Israel. Dass die Islamisten kein Mittel scheuen, den Feind zu vernichten, haben ihre drastischen Anschläge gezeigt. Wenn sie im Besitz von Massenvernichtungswaffen (WMD, Weapons of Mass Destruction) wären, würden sie sie gegen ihre Feinde einsetzen. Über solche Waffen – Senfgas, Sarin und Nervengas VX – verfügt aber das Assad-Regime in vielen Lagern. Nicht nur Israel fürchtet, dass diese Kampfstoffe in die Hände der fanatischen Islamisten geraten könnten. Wäre das für Israel der Casus Belli?
Ely Karmon vom Internationalen Institut für Terrorismusbekämpfung im israelischen Herzliya sagte „Welt Online“: „Wenn diese Waffen in die Grenznähe zum Libanon verlegt würden, wäre dies für Israel sicherlich ein Grund einzugreifen.“ Der WMD-Experte meint, dass Israel über geeignete Mittel und Kräfte verfügt, präventive Operationen nicht aus der Luft, sondern am Boden auszuführen. Solche Waffen in Grenznähe zum Libanon seien eine „rote Linie“, denn dann sei der „Schritt nicht mehr weit zu der schiitischen Miliz Hisbollah im Libanon. Dass dieser erklärte Feind Israels dann womöglich über solche Mittel verfügt, kann Israel nicht zulassen“. {Quelle: www.welt.de – Von D. Alexander und A. Hackensberger}
Gewalt nimmt zu
Schwere Kämpfe in Aleppo.
Neuer Chef der UN-Mission für Syrien
bezeichnet Lage als schwierig
Mit der Verlängerung der UN-Mission für Syrien (UN-Sicherheitsratsresolution 2059) für weitere 30 Tage hat der senegalesische General Babacar Gaye die militärische Leitung in Damaskus übernommen. In einer kurzen Stellungnahme an die Presse bezeichnete Gaye die Lage als »sehr schwierig«, doch die »Vernunft« werde letztlich »Erfolg haben«. Der stellvertretende Generalsekretär für UN-Friedensmissionen, Hervé Ladsous, sagte, in den nächsten Tagen werde man mit den Vermittlern vor Ort und mit Regierungsvertretern diskutieren. Die Hälfte der militärischen UN-Beobachter hätte das Land verlassen, doch seien weiterhin in verschiedenen Provinzen UN-Teams vor Ort. Auf jW-Nachfrage, ob die Mission sich nun verstärkt der Bildung einer Übergangsregierung widmen werde, wie es die Vereinbarung von Genf vorsehe, antwortete der französische Diplomat ausweichend. Alle Seiten hätten der Bildung einer Übergangsregierung zugestimmt, und die Aufgabe der UNSMIS sei es, entsprechende Gespräche zu vermitteln. »Schlüsselfrage« dafür bliebe jedoch weiterhin »ein Nachlassen der Gewalt«. Die hat derweil in verschiedenen Teilen des Landes noch zugenommen. Während sich die Lage in und um Damaskus seit einigen Tagen aufgrund massiver Militäroperationen gegen die bewaffneten Aufständischen eher beruhigt hat, nahmen die Auseinandersetzungen vor allem in und um Aleppo zu. Regierungsgegner und mit ihnen sympathisierende Journalisten berichteten, die syrische Luftwaffe habe in die Kämpfe eingegriffen und »Stellungen der Aufständischen« bombardiert (BBC). Eine Razzia im Gefängnis von Aleppo und die Ermordung von Gläubigen, die auf dem Weg zum Iftar (Fastenbrechen) in einer Moschee von regierungstreuen Milizen getötet worden sein sollen, wurden von unabhängiger Seite nicht bestätigt.
Seit Beginn der Unruhen im März 2011 war es in Damaskus, der politischen, und in Aleppo, der ökonomischen Metropole Syriens, weitgehend ruhig geblieben. Mehrfach waren die Einwohner beider Städte bei Protesten in Homs, Idlib oder außerhalb Syriens beschimpft und aufgefordert worden, sich dem Aufstand gegen die Regierung anzuschließen. Wie zuvor Damaskus scheint nun auch Aleppo den Preis dafür zu zahlen, daß es versucht hat, sich aus dem militarisierten Konflikt um die Zukunft des Landes herauszuhalten. Die staatliche syrische Nachrichtenagentur SANA berichtete ihrerseits von schweren Kämpfen in Aleppo, in der Provinz von Lattakia, bei Tall Kalach nahe der Grenze zum Libanon sowie in der Provinz von Kamischly im Nordosten des Landes. Nach offizieller Darstellung seien die Armee und Sicherheitskräfte gegen »bewaffnete terroristische Gruppen« vorgegangen, »die Einwohner angegriffen und privates und öffentliches Eigentum in den Wohnvierteln von Aleppo zerstört« hätten, dabei seien »Dutzende« getötet worden. Das Eindringen von bewaffneten Gruppen aus dem Libanon und der Türkei sei ebenfalls verhindert worden. Auch im Süden Syriens, an der Grenze zur Jordanien, wurden bewaffnete Kämpfer getötet, die versucht hatten, nach Syrien zu kommen. Aus Sicht der syrischen Führung befindet die Armee sich in einem »Verteidigungskampf« mit irregulären Kampfgruppen, die vom Ausland unterstützt werden. Der ehemalige syrische General Manaf Tlass, der vor knapp drei Wochen Syrien verlassen hatte, ist mittlerweile zur Pilgerfahrt (Ummra) in Mekka eingetroffen. Der saudische Nachrichtensender Al-Arabiya zeigte Tlass in offizieller Begleitung im Pilgergewand. »Exklusiv« verbreitete der Sender zudem, wie Tlass eine vorbereitete Erklärung verlas. Darin forderte er alle Syrer auf, für die Einheit eines demokratischen Syriens zusammenzustehen. Das neue Syrien dürfe »nicht auf Rache, Ausschluß oder Alleinvertretungsansprüchen« aufgebaut werden.
Die Türkei schloß am Mittwoch morgen die letzten drei Grenzübergänge nach Syrien. Ein Beamter der türkischen Grenzbehörden erklärte, daß nur noch Transitgüter die Grenze passieren dürften. Der türkisch-syrische Handel, der in den letzten Jahren mit Zollerleichterungen enorm zugenommen hatte, ist damit gestoppt. Für die Zivilbevölkerung beider Seiten ist die Grenze dicht, lediglich syrische Flüchtlinge sollten noch einreisen dürfen. Seit Monaten läßt die Türkei jedoch auch in ihrem Land ausgebildete und bewaffnete Kämpfe nach Syrien eindringen. {Aus: junge Welt, Donnerstag, 26. Juli 2012 – Von Karin Leukefeld, Damaskus *}
Aufmarsch an den Grenzen
Nach kurdischer Machtübernahme in Nordwestsyrien
machen Ankara und Erbil mobil
Nachdem kurdische Volksverteidigungskomitees die Kontrolle über Städte in Nordwestsyrien übernommen haben, machen sowohl die türkische Regierung als auch der Präsident der kurdischen Autonomieregion im Nordirak, Masud Barsani, mobil. Mit der Kleinstadt Girke Lege übernahmen die kurdischen Komitees am Dienstag bereits die fünfte Stadt nach Kobani, Derek, Amouda und Afrin. Die kurdischen Parteien rechnen damit, daß ihnen bald auch die größte syrisch-kurdische Stadt Qamischlo mit 400000 Einwohnern von der Baath-Administration übergeben wird. Entsprechende Verhandlungen laufen bereits. 200 Kleinbusse brachten am Dienstag türkische Soldaten in die auf türkischer Seite direkt an Qamischlo grenzende Stadt Nusaybin, während Kampfhubschrauber zur Aufklärung über dem Grenzgebiet flogen. Ein von der Nachrichtenagentur Dogan ausgestrahltes, mit einem Mobiltelefon aufgenommenes Video zeigte außerdem kilometerlange Marschkolonnen kurdischer Soldaten in der kurdischen Autonomieregion im Nordirak. Einige der unbewaffneten Soldaten riefen: »Wir sind auf dem Weg, Qamischlo einzunehmen.« Es handle sich um nachträglich im Nordirak ausgebildete kurdische Deserteure der syrischen Armee, erklärte Barsani gegenüber dem Sender Al-Dschasira. Nur wenn der Hohe kurdische Rat sein Einverständnis erklärte, würden die Soldaten nach Syrien geschickt, um das »Sicherheitsvakuum« in den kurdischen Städten nach Abzug der Regierungskräfte zu füllen.
Dem im Juni in Erbil gebildeten Rat der syrischen Kurden gehören jedoch sowohl zahlreiche von Barsani finanzierte Oppositionsgruppen als auch die Partei der Demokratischen Einheit, PYD, an. Diese Schwesterpartei der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) gilt als die dominante Kraft unter den syrischen Kurden. Durch syrisch-kurdische PKK-Guerillakämpfer verstärkt, verfügt sie bislang als einzige kurdische Partei über eine nennenswerte Zahl bewaffneter Kräfte in Syrien. Ein Einmarsch der im Nordirak ausgebildeten Soldaten würde das innerkurdische Kräfteverhältnis zugunsten Barsanis verbessern. Dies wäre im Interesse Ankaras. Nachdem sich die Beziehungen zwischen der Türkei und dem lange als »Terroristenunterstützer« geschmähten Präsidenten der Autonomen Region Kurdistan im Irak aufgrund von Erdölgeschäften verbessert haben, hofft Ankara, mit seiner Hilfe den Einfluß der PKK zurückzudrängen. »Damaskus hat die Region der PYD überlassen, um Truppen für den Kampf mit der Freien Syrischen Armee in das Innere des Landes abzuziehen und gleichzeitig die Türkei einzuschüchtern«, hieß es am Mittwoch in der Zeitung Hürriyet Daily News unter Berufung auf »glaubwürdige türkische Quellen«.
Ankaras Vertreter zeigten sich gegenüber der regierungsnahen Tageszeitung Todays Zaman zudem zuversichtlich, daß die syrische Opposition keine kurdische Autonomie unter Mitwirkung PKK-naher Kräfte dulden werde. »Wir haben die Anweisung gegeben, daß in Syrien keine andere als die syrische Fahne gehißt wird«, versicherte in diesem Sinn der Vorsitzende des Syrischen Nationalrates, Abdel Baset Seid, gegenüber der Presse. Zuvor hatte es Bilder gegeben, die zeigten, daß auf öffentlichen Gebäuden in den kurdischen Städten sowohl die kurdische als auch PKK-Fahnen gehißt wurden. Vertreter der Freien Syrischen Armee erklärten, niemals die Bildung eines kurdischen Staates in Syrien zu erlauben. {Aus: junge Welt, Donnerstag, 26. Juli 2012 – Von Nick Brauns – www.ag-friedensforschung.de}