Zwischen dem Ende des 5. und Beginn des 6. Jahrhunderts lebte Heiliger Karas. Er war der Bruder des Königs Theodiseus, des Großen. Über seine Biographie berichtete Hl. Pemue, der den Leichnam der Heiligen Hilaria, Tochter des Königs Zinon, beisetzte. Es handelt sich dabei nicht um den Heiligen Pemue, den Meister des Hl. Bischoy und des Hl. Johannes, des Kleinen.
Heiliger Pemue erwähnte: „Eines Tages vernahm ich eine Stimme, die mir mitteilte, dass ich mich auf dem Weg zur inneren Wüste begeben sollte. Dort sollte ich den Heiligen Karas besuchen, welcher beim Herrn wegen seiner enormen Mühen angesehen ist. Äußerst gespannt machte ich mich auf den Weg und wanderte einige Tage in der tiefen Wüste, ohne einen Menschen zu Gesicht zu bekommen. Irgendwann später erspähte ich eine Höhle, deren Tür zu war. Ich hielt davor inne und rief: „Agape! Segne mich, gesegneter Vater“. Aus der Höhle hörte ich: „Dein heutiger Besuch ist wohlig, Abba Pemue, Schi-Hat’s Priester, der die Ehre erlang, Heilige Hilaria beisetzten zu dürfen“. In Staunen wurde ich dadurch versetzt, dass er meinen Namen kannte!?! Die aus Palmen-fasern und Ästen geflochtene Tür wurde geöffnet und ich sah einen ehrwürdigen Greis. Er gewährte mir Zutritt und begrüßte mich herzstärkend. Wir sprachen dann über die Größe Gottes“.
„Aus Faszination über seine strenge Askese fragte ich ihn: „Lebt ein anderer Heiliger in diesem Berg, der dir, meinem Vater, gleicht“? Daraufhin seufzte er und entgegnete: „In dieser Wüste gibt es einen großen Heiligen, dessen Schritte die Welt nicht würdig ist. Er heißt Heiliger Karas“. Als ich ihn nach seinem Namen und seiner Geschichte fragte, sagte er: „Mein Name ist Simon, der Zelter. Seit ungefähr 60 Jahren bewohne ich diese Wildnis, in der ich bis jetzt keinem Menschen begegnete. Jeden Samstag esse ich ein Brötchen, welches ich auf einem Stein vor meiner Höhle finde“. Ehe ich meine Wanderung fortsetzte, segnete er mich“.
„Noch drei Tage schritt ich, aber danach erblickte ich eine andere Höhle. Ich stellte mich vor deren Eingang, wo ich hörte: „Es ist segensreich, dass du heute zu mir kommst, Abba Pemue“. Dies ließ mich in Verblüffung geraten. Jedoch fragte ich ihn, ob es einen in dieser Wüste gab, der ihm glich? Darauf antwortete er, dass es einen Heiligen gab, dessen Dasein der Welt nicht würdig war. Seine Gebete ließen den Zorn Gottes lindern. Infolge fragte ich ihn, ob er Heiliger Karas sei? Da sagte er: „Wer bin ich, der Armselige, um Heiliger Karas, Freund der Engel, sein zu dürfen“? Nach seinem Namen und seiner Geschichte fragte ich ihn. Da sagte er mir: „Ich heiße Pamon, der Zelter. Seit über 29 Jahren lebe ich in dieser Wüste und ernähre mich von den Datteln“. Kurz blieb ich bei ihm, und bevor ich erneut aufbrach, bat ich um seinen Segen“.
„Während ich in der tiefen Wüste ging, hörte ich ohren-betäubende Geräusche, die mich überaus erschreckten. Kurz danach fand ich mich vor einer Höhle. Wie es unter den Mönchen üblich ist, klopfte ich an deren Tür. Dieselbe Antwort bekam ich zu hören: „Es ist segensreich, dass du heute zu mir kommst, Abba Pemue“. Als ich hineinging, sah ich einen strahlenden Mann, dessen Gesicht die Gnade des Herrn aus-strahlte. Er war mittelgroß, trug schneeweißen und langen Bart und war von schlanker Figur. Seine Stimme war leise und sanft. Ich grüßte ihn mit den Worten: „Friede sei mit dir, meinem gesegneten Vater“! Darauf umarmte er mich und hieß mich willkommen. Demzufolge verbreitete er mir: „O mein lieber Bruder…du kommst heute zu mir und bringst mir den Tod mit. Denn ich warte seit äußerst langer Zeit auf dich“. Als ich ihn nach seinem Namen und seiner Geschichte fragte, teilte er mir dies mit: „Mein Name ist Karas. In dieser Wildnis lebe ich seit 57 Jahren, während denen ich keinen Menschen sah“. Wir setzten uns vor seiner Höhle und sprachen lange über die Großtaten Gottes, die er im Leben seiner Heiligen tut“.
„Am Ende jenes Tages überfiel ihn hohes Fieber. Dabei sagte er seufzend: „Wohin soll ich vor deinem Angesicht flüchten, mein Herr, und wo soll ich mich von deinem Geist verstecken? Was ist das denn für furchtbare Stunde! Sei mir gnädig Herr, nach deiner Güte und nicht nach meinen vielen Sünden“. Als ich diese Worte hörte, geriet ich in Verwunderung! Denn ich konnte nicht nachvollziehen, dass so ein ansehnlicher Anachoret dies sagen würde. Am 7. Abib sah ich, wie Heiliger Karas bekümmert seufzte. Dabei blickte er lange in den Himmel. Dann teilte er mir mit: „In Oberägypten fiel heute eine kolossale Säule ab. Die Welt verlor einen bedeuten-den Heiligen! Es geht um den Heiligen Schenuda, Führer der Eremiten – Archimandriten. Er ist friedlich entschlafen und zum Herrn gegangen“.
Am nachfolgenden Tag wurde sein gesundheitlicher Zustand viel schlimmer. Jedoch strahlte sein Gesicht wunderbaren Glanz an. Am Mittag erschien ein außergewöhnliches Licht, welches die Höhle erhellte. Ich sah den Heiland der Welt und mit ihm die Erzengel Michael und Gabriel. Noch waren auch Engel da, die Lobpreise sangen. Zu Christus sprach Heiliger Karas: „Mein Herr und Gott segne bitte meinetwillen diesen Mann, deinen Knechten, der von einem weiten Land zu mir kam“. Der Herr der Herrlichkeit wandte sich mir zu und sagte zu mir: „Mein Friede wird mit dir sein, Pemue! Mein Segen möge dich all deine Tage überschatten“.
Darauf sagte unser gütiger Heiland zum Heiligen Karas: „Sei keineswegs betrübt, mein Geliebter, wegen des Todes und fürchte dich davor nicht. Denn dies wird nicht dein Ende sein, sondern Anfang eines ewigen Lebens und Verlassen dieser vergänglichen Welt. Du übersiedelst in die bleibende Welt. Es ist ein Wandern von dem Unglück zur Freude und von der Knechtschaft zur Freiheit“.
„Als unser Heiland, Jesus Christus, dies sagte, empfing er seine Seele. Mit meinem Umhang wickelte ich seinen reinen Leichnam und darauf folgend verließ ich die Höhle. Danach sah ich, wie der Herr die Höhle des Heiligen Karas berührte, sodass deren Eingang unsichtbar wurde. Der Allmächtige schenkte mir seinen tröstlichen Frieden und stieg voller Herrlichkeit empor“ … „Nachdem ich kurz vor jener Höhle innehielt und den Segen und die Fürbitte des Heiligen Karas erbat, machte ich mich auf den Rückweg. Ich lief an den Höhlen der beiden Heiligen Abba Pamon und Abba Simon vorbei. Den Beiden erzählte ich von dem, was ich hautnah erleben dürfte. Später setzte ich mein Wandern fort, bis ich die Wüste Schi-Hat’s erreichte. Dort berichtete ich den dort lebenden Vätern über die Biographie dieses Heiligen und alles, was ich arglos bezeugte“.