Wieviel abendländische Kultur in unseren heimischen Gewächsen steckt?
Ein Gartenbrevier von Klaus Lelek
EPILOG: Frühlingszeit ist Pflanzzeit. Wenn ich nicht gerade mal wieder für Quotenqueen oder „Kopten ohne Grenzen“ einen Artikel schreibe, eine neue „Graphic Novel“ zeichne oder eine Großdemo vorbereite, arbeite ich im Schweiße meines Angesichts im Garten. Eigentlich ein Miniaturpark, fünf mal sieben Meter groß, voller Allegorien.
Ein „petit Giverny“, ein grüner Musentempel, dessen Herzstück ein illustrer Teich ziert, zu welchem man, von Westen kommend nach Illuminatenmanier „sieben Stufen“ erklimmen muß. Zwei Brückenpfähle, welche gleichzeitig das Geländer halten, sind mit einer „goldenen“ und „silbernen“ Kugel verziert und entsprechen den Säulen J und B des salomonischen Tempels. Auf kleinen Terrassen, die mit Natursteinen gefaßt sind, wachsen je nach Jahreszeit bis zu fünfzig verschiedene Pflanzen.
Aus gegebenen Anlaß möchte ich den werten Leser daher heute zu einem „wordtuellen Spaziergang“ durch mein kleines grünes Reich einladen und damit „Heiden“ wie Christen – und natürlich auch Juden – gleichermaßen erfreut und informiert sind, liegt neben mir Marianne Beucherts unübertroffenes Nachschlagwerk „Symbolik der Pflanzen“, ein buchstäblicher Beweis, daß Christentum und ihre antiken Vorläuferreligionen zumindest im Reich der Botanik eine fruchtbare Symbiose eingehen können.
Voraus gesetzt man bringt soviel Toleranz auf, Tausende von Jahren Kulturgeschichte nicht gleich in die Tonne zu werfen. Sorry, daß ich das hier so provokant in den Raum stelle: Atheistische Pflanzen gibt’s nur aus dem Gen-Labor. Fast alle großen Kulturen dagegen – und hier stimme ich mit der Autorin Marianne Beuchert überein- sahen in den Pflanzen „göttliche Kräfte, die über die Pflanzen auf die Menschen überfließen“. Hätten sich einige agnostische Naturwissenschaftler an diesen Satz gehalten, wäre uns so einiger Schrott, der heute in den Regalen der Supermärkte und auf den Tellern landet, erspart geblieben.
Weihegaben für Freija und Maria: Beginnen wir mit der AKELEI, Symbol für „Dreieinigkeit, Demut und heiliger Geist“, gleichzeitig Attribut der Göttin Freija und Maria. Daß man ihr auch das Tribut der „Unbeständigkeit“ andichtet, regt allerdings meinen Widerspruch. Die Blume, die einst meine Lebensgefährtin bei einem anthroposophischen Pflanzenvertrieb bestellte, breitet sich seit über 20 Jahren beständig und rasant aus. Hat sie einmal Wurzeln geschlagen bleibt sie, denn sie ist eine Staude. Anders als der GOLDLACK, der sich jedes Jahr neu aussät und in manchen Jahren ums Überleben kämpft. Obwohl er nicht im Symbolbuch vorkommt, verbinde ich mit ihm eine ungewöhnliche Geschichte. Das erste Mal sah ich Goldlack auf dem Dach und zwischen den Wasserspeiern der Kathedrale von Chartres, selbst die imposanten Türme hatte die leuchtend gelbe „ravenelle“ erobert. Ein halbes Jahr später tauchte die gelbe Blume in unserem Garten auf. Ein kleines Wunder, denn keiner unserer Nachbarn besitzt diese alte Bauernpflanze. Sie muß also einen weiten Weg zurückgelegt haben. Vielleicht als „Blinder Passagier“? Beim Stichwort „Nachbarn“ fällt mir gleich unsere zehn Meter hohe BIRKE ein. Dieser Mythenbaum schlechthin – Attribut für Hexen, Thor Frigg, grünendes Heiligtum der sibirischen Schamanen und Namensgeber für die Birka-Rune – ist in den Augen mancher Zeitgenossen nichts anderes als ein „Unbaum“.
Sein unkontrolliertes Wachstum – bis zu eineinhalb Meter im Jahr – löst in Zeiten der sterilen Postmoderne unbewußte Ängste aus, einschließlich Allergien. (Unter denen auch ich z. Z. ziemlich leide) Eng verwandt mit der Birke ist die HASELNUSS, Symbol für Lebens und Liebesfruchtbarkeit. Als heidnischer, dem germanischen Gott Thor geweihten Glücksstrauch fehlt dem Hasala allerdings die christliche Entsprechung. Als Hecke bietet er einen optimalen Sichtschutz und im Herbst einen gedeckten Tisch für einen kleinen drolligen Gartenbewohner: Die Haselmaus. Zwischen Birke und Haselnuß hat sich ein weiterer heidnischer Mythenbaum niedergelassen. Eine EIBE. Sie gilt ebenfalls als Hexen und Zauberbaum und liefert ein gutes Bogenholz, was ihr neben dem vorhandenen Gift auch den Ruf als Totenbaum einbrachte. Schon bei Ovid bilden Eiben die Allee zum Tartaros. Tödlich giftig sind übrigens nur die männlichen Exemplare, also jene Bäume, die keine roten Beeren produzieren. Noch giftiger als die Eibe ist der EISENHUT, dem man die Attribute von Hekate, Kerberos, Wodan und Thor nachsagt. Sein Kontaktgift wird direkt von der Haut aufgenommen, was mich jedoch kaum tangiert, da ich ihn eh nicht pflücke. Seinen nahen Verwandten den FINGERHUT, versuche ich seit Jahren vergeblich dauerhaft im Garten anzusiedeln. Anders dagegen die MALVE, die als Heilpflanze natürlich ausschließlich christliche Attribute genießt und als Symbol für „Verzeihung“ und „Bitte um Vergebung“ steht. Ihre sakrale Verehrung geht allerdings auf den römischen Apollonkult zurück.
Eine christliche Wandlung hat auch das VEILCHEN erfahren, dessen Eigenschaften „Jungfräulichkeit, Demut Bescheidenheit“ von Persephone direkt auf Maria und Christus übertragen wurden. Im Gegensatz zur Katholischen und evangelischen Kirche macht das Veilchen in meinem Garten keinen Schrumpfungsprozeß durch, sondern breitet sich tüchtig aus. Ebenso die Wappenblume des Petrus, die SCLÜSSELBLUME, ein Frühlingsbote, der in keinem Naturgarten fehlen darf. Die völlig überzüchteten Varianten, die „Primeln“ aus dem Supermarkt, überleben dagegen nicht einmal einen heißen Sommer. Statt Maiglöckchen habe ich mich für die eßbarer Variante BÄRLAUCH entschieden. Hat keine symbolische Bedeutung aber verfeinert die abendländische Küche. Dazu einen guten französischen Rotwein. Eigene Versuche einen heimischen Sauvigon zu kultivieren bleiben bis auf weiteres Fiktion.
In einem Naturgarten gibt es keine Unkräuter – Garten als Gesellschaftsmodell
In den Startlöchern steht der LÖWENZAHN, eine Blume, deren christliche Allegorien besonders die Alten Meister allen voran Robert Campin (1375-1444) inspirierte. Die Pusteblume gilt als Ausbreitung der Lehre Christi. Bereits verblüht ist der KROKUS, als Symbol für Tod und Wiedergeburt eine Blume der antiken Mysterienbünde, die besonders den Kult um Demeter und Persephone zelebrierten. Deren moderne Variante, die Freimaurer Deutschlands, wählten in der Zeit der Nazidiktatur das VERGISSMEINNICHT zu ihrem geheimen Erkennungszeichen. Eng mit den Freimaurern aber auch mit dem Marienkult ist die ROSE verbunden. Eine zarte wilde Heckenrose, vor zehn Jahren aus der Fahrrinne eines Waldweges vor den Monsterreifen der Holztraktoren gerettet, bildet inzwischen eine fünf Meter hohe dichte Laube. Fallen diese wunderbaren Gehölze nicht den regelmäßig stattfindenden Kettensägen Massaker an Waldrändern zum Opfer, können sie recht alt werden. Die Kletterrose am Hildesheimer Dom beispielsweise zählt an die Tausend Lenze, und schlug nach dem verheerenden Luftangriff 1945 wieder aus.
Ein ähnliches Wunder ereignete sich beim Atombombenangriff auf Hiroshima. Ein nur 800 Meter vom Zentrum der Explosion entfernter GINKO überlebte das Inferno. Klar, daß dieses „Symbol der Hoffnung“ auch einen Ehrenplatz in unserem Garten hat. Deutschlands größter und ältester Ginko wurde übrigens im Auftrag von Goethe neben das fürstliche Palais in Weimar gepflanzt, wo man ihn auch heute noch bewundern kann. Unser Exemplar hat immerhin schon die Fünfmeter Marke überstiegen. Ihm benachbart ein ebenfalls alter Kult und Kulturbaum: ein HOLUNDER. Als Baum von Frau Holle ein Hüter von Haus und Herd, deren Anwesenheit in der Nähe menschlicher Wohnstätten bis in die Steinzeit zurück reicht. Laut Volksglaube, soll er vor bösen Geistern schützen, und die gibt es ja derzeit genug.
Verwandt mit dem Holunder ist das GEISBLATT. Der Barockmaler Rubens hat mit seinem Bild „Ehepaar Rubens unter der Geisblattlaube“ der Kletterpflanze ein unvergeßliches Denkmal gesetzt. Leider setzt während der orange Farbenden Blüte Ende Mai immer ein fast aussichtsloser Kampf mit den Blattläusen ein. Seit meiner zweiten Südfrankreichreise 1982 gehört er zu meinem Lieblingsbäumen: Der BUCHS. In den Ausläufern der Provenzalischen Alpen in der Gegend um den Mont Ventoux bildet er ganze Wälder. Wenn man nach einer beschwerlichen Wanderung durch die heiße Macchie in einen kühlen Buchsbaumhain eintritt, fühlt man sich sofort wie neu geboren. Kein Wunder also, daß dieser „Baum“, der leider bei uns im Taunus höchstens zweieinhalb Meter hoch wird, als Symbol des „ewigen Lebens“ gehandelt wird. Allerdings gilt er auch als Totenbaum. (In Buchsbaumhainen ist es meist stockfinster) Diese Tradition, die auch heute noch auf unseren Friedhöfen weiter lebt, geht auf die alten Griechen zurück, die den Buchs dem Gott Hades weihten. Die alten Aramäer und Phönizier weihten ihn dagegen der Muttergöttin Kybele, deren Matronenkult wiederum vollständig von den ersten Christen des Orients aufgesogen und christlich umgeformt wurde.
Der Unterwelt zugeordnet ist auch die MINZE, benannt nach Minthe, der reizenden Tochter des Unterweltflußgottes Kokytos. Natürlich darf in einem Naturgarten auch das JOHANNISKRAUT nicht fehlen. Als Blume der Sonnenwende wird die Pflanze sowohl dem germanischen Gott Balder als auch Johannes dem Täufer (Patronatsfest ) zugeordnet. Der rote Saft der Heilpflanze galt früher als Symbol für das Blut Johannes des Täufers. Auch sein germanisches Pendant wird mit einem blutigen Opfertod – Heimtückischer Mord durch den Mistelpfeil – in Verbindung gebracht. Die Stimmung aufhellende Wirkung von Johanniskraut ist übrigens seit langem bekannt und keinesfalls eine Erfindung der Neuzeit. Einen reichen Kulturschatz, der von der frühen Antike, dem Judentum – Blume Salomons – bis hin zum Christentum reicht birgt die LILIE, eine anspruchsvolle Gartenbewohnerin, die leider nicht jedes Jahr ihre volle Blütenpracht entfaltet.
Heidnische wie christliche Attribute besitzt auch die ERDBEERE, deren Früchte fast alle vorchristlichen Liebesgöttinnen zugeteilt wurden um von den der Antike den Weg in den Pantheon christlicher Heiliger zu nehmen. Walderdbeeren sind übrigens wahre Pionierpflanzen, die fast jeden Winkel des Gartens „erobern“. Selbst die Pflanzkörbe im Teich sind nicht vor ihnen sicher. Besonders die SUMPFDOTTERBLUMEN müssen regelmäßig aus ihrer Umklammerung befreit werden. Auch der FRAUENMANTEL liebt die Nähe des Wassers und ist bei seiner Ausbreitung nicht gerade zimperlich.
Ebenfalls nicht im Symbolbuch vorkommend aber dennoch dankbar ist der STORCHENSCHNABEL, eine Urform unserer Geranie, ein guter Bodendecker, Dauerblüher, der bis zu einem halben Meter hoch werden kann, gefolgt von der FETTHENNE, der PIMPANELLE (ein wunderbares Salatkraut) den FLOCKENBLUMEN, WEGWARTEN, WICKEN, BRENNESSELN, BIENENBWEIDE, HORTENSIEN, FARNEN, TRÄNENDEN HERZEN, TULPEN, NARZISSEN, GLOCKENBLUMEN, HORNKLEE; OREGANO, ZITRONENMELISSE und den vielen anderen bekannten und (mir) unbekannten Blumen und Pflanzen. Nicht zu vergessen einer fast drei Meter hohen BLUTJOHANNISBEERE. Zuletzt noch ein Blick auf die „Gäste“ meines Wintergartens, die bis auf das ZYPERNGRAS seit zwei Wochen wieder Freiluft atmen dürfen: der LORBEER, gilt als Baum des Apollon, der Daphne und des Äskulap und soll der Reinigung, Entsühnung und dem „Frieden“ dienen. (Vielleicht sollte man den islamistischen mordenden Mob mal davon kosten lassen.)
Der ROSMARIN wird gemäß seinen Namens der Heiligen Maria zugeordnet. Demzufolge geht auch sein Kult auf vorchristliche Göttinnen, insbesondere Aphrodite zurück, deren Statuen mit Rosmarinzweigen geschmückt wurden. Leider haben die Kälteeinbrüche im Taunus – bis minus 20 Grad – selbst im Wintergarten schon so manchen Rosmarin dahingerafft. Als alte Kulturbaum mit symbolischer Kraft hat die ZITRONE als „Buddhas Hand“ von Osten her ihre lange Wanderung nach Westen angetreten. Laut Marianne Beucher sollen Zitronen Bestandteil in Jüdischen Ritualen sein.
SCHLUSSBEMERKUNG:
Wie der aufmerksame Leser schon gemerkt hat, ist mein „petit Giverny“ eine echte multikulturelle Gesellschaft. Diese funktioniert allerdings nur, wenn nicht eine Pflanze die „Ober – oder Alleinherrschaft“ in meinem Garten beansprucht.
Das Gegenteil von Multikultur ist Monokultur, was soviel wie ökologische Wüste bedeutet. Welche Werte und Wertvorstellungen, inklusive des infernalischen Wahns diese umzusetzen, die Wüste hervorbringt, wissen wir alle zur Genüge, wenngleich sich feige fünfte Kolonnen eifrig als Wegbereiter der Mordbrenner betätigen. Deshalb sollten wir genau überlegen, wer in unserer Multikultuerellen Gesellschaft Wurzeln schlägt oder wen wir ohne Gewissensbisse wieder in seine „Monokulturelle Wüste“ zurückschicken, die er selbst durch seine eigenen geistigen Kahlschläge im Bereich der Kultur, des Verhältnisses der Geschlechter und vor allem der Herrschaftsstrukturen geschaffen hat. Des weiteren sollten wir uns nicht von kurzfristigen Umschichtungen dieser Gesellschaften blenden lassen. Gewaltsame Revolutionen haben noch nie zu Demokratien geführt, sondern stets zu Diktaturen, die ihre Vorgänger an Grausamkeit bei weitem übertrafen.
Die einzige Möglichkeit einer die Pflanze der Ober – oder Alleinzherrschaft“ so schnell wie möglich in die Wüste gepflanzt wird, schön einsam, damit diese keine anderen Pflanzen stört.