Mit einer morschen Dachlatte gegen Islamismus
Der mythische ägyptische Philosoph Hermes Trismegistos, dessen geheimnisvolle, in Smaragd Tafeln eingravierte Weltformel von den mittelalterlichen Alchemisten gierig aufgesogen wurde, soll folgendes gesagt haben: „Die größte Untugend ist die Unwissenheit“
Er meint nicht Dummheit, sondern Unwissenheit. Unwissenheit bedeutet eigentlich nichts anderes als „Mangel an Wissen“. Ein Tatbestand, den man jederzeit durch Forschen, Lernen, und vor allem durch selbständiges Denken ausgleichen kann. Hinter „Hermes Trismegistos“ verbirgt sich keine Einzelperson, sondern eine von vielen, in Alexandria ansässigen neuplatonischen Weisheitsschulen, die sich auf einen in grauer Vorzeit lebenden Ägyptischen Heroen beriefen.
Dummheit bedeutet, sein Nichtwissen zementieren. Wenn man wider besseres Wissen Dinge behauptet, die von jedem einfachen Geschichtsbuch – von Fachliteratur ganz zu schweigen – widerlegt werden können. Eines dieser dummen Begriffe, die von einigen selbst ernannten Kreuzrittern stets im Munde geführt, inflationär im Netz verbreitet und dann ausgerechnet gegen den Islamismus ins Feld geführt werden ist der Begriff des „Christlichen Abendlandes“ Diese Dachlatte ist so morsch, daß sie schon zerbröselt wenn man damit ausholt. Sie riecht nach Blut, Pulverdampf, Scheiterhaufen und vor allem Verrat. Hauptopfer dieses Verrates ist Jesus Christus selbst, seine Lehre, die auf schamlose Weise für weltliche Ziele mißbraucht wurde.
Und sie enthält als „Schlagwort“ bereits einen unverzeihlichen Denkfehler. Es gibt kein „christliches“ sondern ein „kirchliches Abendland“, dessen langsame Entmachtung bzw. Auflösung eigentlich erst zum modernen Europa mit all seinen Errungenschaften, Demokratie, Menschenrechte, Meinungsfreiheit usw. geführt hat. Dessen eigentliche Geburtsstunde war 1789. Die Geburtsurkunde, die von französischen Freimauren aufgesetzte „Deklaration der Menschenrechte“. Die Grundlage dieser Menschenrechte sind daher keine kirchlichen Dogmen, sondern gehen im Kern auf die antiklerikalen Aufklärer, allen voran Rousseau zurück, dessen urchristlicher (aber nie selbst praktizierter) Humanismus von der Kirche, auch der Calvinistischen, heftig kritisiert wurde. Vielleicht ist es erwähnenswert, daß in der Schweiz, dem Geburtsland Calvins 1782 die letzte Hexe verbrannt wurde. Eine der letzten von über 60 000 mehrheitlich in protestantischen Ländern hingerichteten Männer und Frauen. Dagegen wütete bis 1826 in Spanien die Inquisition. Der beißende Qualm der Scheiterhaufen reicht also bis ins 19. Jahrhundert hinein, um dann den neuen Hexenjagden und Inquisitionen des Faschismus und Stalinismus Platz zu machen.
Umgekehrt aber gibt es ein „christliches Morgenland“, das bereits sehr früh vom Islam unterdrückt und vom „Christlichen Abendland“ auf die schändlichste Weise verraten, mißbraucht, ausgeplündert sowie geschwächt wurde und heute zu allem Überdruß von den dekadenten, westlichen, schizuiden Eliten mit dem „Scheiterhaufen-Abendland“ in einen Topf geworfen wird. Im Klartext: Kopten und Aramäer müssen heute indirekt das ausbaden, was Simon von Montfort und der abgebrühte Gottfried von Bouillon angerichtet haben. Der letztgenannte brachte bei der Eroberung Jerusalems genauso viele Aramäische Christen und Juden um wie Muslime. Ein netter Nickname, der da durchs World Wide Web geistert. Wer diese Brühe schlürft verbrennt sich den Mund.
Die im Spätsommer verstorbene, zum Umfeld von Pax Europa gehörende Islamkritikerin Hiltrud Schröter – Trägerin des Elisabeth-Selbert- Medaille – hat in einem Interview mit der Frankfurter Neuen Presse unmißverständlich klargemacht, daß die Greultaten der westlichen Kirchen, den Greultaten des Islam, um nichts nachstehen. Ein alter Kämpe aus der Frühzeit des BDB, Jahrgang 1930, der als Meßdiener von Hitlerjungen verprügelt wurde, hat es noch drastischer formuliert: „Ich will kein islamisches, kein faschistisches aber auch kein katholisches KZ“.
Grundsätzlich sollte man in der Politik niemals Begriffe benutzen, die zweideutig und ambivalent sind. Aber im Falle des „Christlichen Abendlandes“ öffnet man fast die Büchse der Pandora. Über die verheerenden Folgen der Katharer-Kriege, die in Südfrankreich mindestens eine halbe Million Menschen das Leben gekostet haben, eine blühende Kultur und Sprache ausrotteten und den unglaublichen Exzessen während des 30jährigen Krieges, habe ich bereits an andere Stelle berichtet. Den größten Fauxpas landete das „Christliche Abendland“ jedoch im Kampf gegen seinen Erzfeind dem Islam selbst, als es von beispielloser Gier getrieben 1203 den wichtigsten Bündnispartner, das orthodoxe Byzanz – heute Istambul – eroberte und ausplünderte. Mit dieser Dummheit öffneten die Kreuzfahrer den nachrückten Türken die Tore zu Europa. Machten sie einen türkischen Staat in Kleinasien, der sich bereits ein Hundert Jahre später über den gesamten Balkan, am Ende sogar bis vor die Tore Wiens ausbreitete, erst möglich. All das spätere Leid, der in Kleinasien verbliebenen christlichen Minderheiten, orthodoxe Griechen, Aramäer, nicht zuletzt Armenier, geht nicht zuletzt auf diese bescheuerte Politik des „christlichen Abendlandes“ zurück. Noch infamer verhielt sich das „Katholische Frankreich“ Ende des 17. Jahrhunderts, als es mit den Türken verbündet, das Rheinland und die Pfalz verwüstete. Während die Einwohner Wiens im Bombardenhagel der Türken auf ihre Rettung warteten, verwüstete ein katholischer Mob die Kirchen des Rheinlandes, allen voran die Kaiserdöme Worms, Mainz und Speyer, schändete Gräber, mordete und vergewaltigte unzählige Menschen. Egal welcher Religionsgemeinschaft diese angehörten. Ganze Dörfer, Schlösser und Städte versanken in Schutt und Asche. Bis vor die Tore Frankfurts reichten die Spuren der Verwüstung.
Das „Christliche Abendland“ ist daher nichts weiter als ein feuchter Furz, den man lieber, im Gegensatz zu Martin Luthers Tischsitten, in der Hose läßt, denn er hinterläßt unschöne Flecken. Bereits in den 70Jahren kamen kritische Theologen zu der ernüchternden Erkenntis:
„Ein Kind, das in einem Christlichen Land geboren wird, ist genauso wenig ein Christ, wie ein Kind, das in einer Garage geboren wird, ein Auto ist.“
Der Scherbenhaufen den christliche Kreuzfahrer im Orient einschließlich Kleinasien hinterlassen haben, hat seit Ende des 19. Jahrhundert seinen Nachfolger gefunden. Den Islamismus. Es war der Brite T.E. Lawrence, der während des 1. Weltkrieges in Arabien diesem Dschin aus der Flasche half. Mit der Installation des Schahs-Regimes legten die USA 1953 den Grundstein für den späteren Mullah-Staat Iran. Der CIA ebnete den Taliban in Afghanistan den Weg zur Macht. Natobomben schufen den islamischen Kosovo. Schlimmster Fehler war sicherlich die atomare Aufrüstung des Islamistischen Pakistans durch die USA. Auch der Techniktransfer moderner deutscher Levante-Händler nach Lybien und in andere muslimische Länder des Nahen Ostens weckt nicht gerade Vertrauen.
Einer der Levante Händler von damals profiliert sich heute als Islamkritiker und verteidigt dabei eifersüchtig wie ein Gralshüter die wahre Lehre seiner eignen Islamkritik. Auch das unterscheidet die „Anti-Islamismus-Bewegung“ deutlich von der Friedens und Umweltbewegung der 70ziger Jahre, wo ein Professor Gruhl (CDU) („Ein Planet wird geplündert“) gemeinsam mit dem Künstler Beuys, einem nach Kuhstall riechende Baldur Springmann, dem DDR-Dissidenten Baro, Rudi Dutschke, einem General Bastian, dogmatischen schwäbischen Anthroposophen, wilden Spontis, schrulligen Vogelschützern, und sogar ein paar braunstichigen Blut und Boden-Aspiranten, die bis dahin größte Volksbewegung der Nachkriegszeit aus der Taufe hob. Hätte man die geistige Führung dieser Bewegung nur ehemaligen Kernphysikern überlassen, wäre sie wahrscheinlich eine Stammtischrunde geblieben. Damit sind wir bei der vierten Todsünde angelangt: dem HOCHMUT, Hauptursache von Todsünde Nummer eins. Der Zersplitterung.
Klaus Lelek