Neue Erkenntnisse im großen Streitthema Integration. Eine Studie belegt den Zusammenhang zwischen Religion, Gewaltbereitschaft – und Nachbarschaft. Junge Türken wünschen sich Kontakt zu Deutschen, dagegen sind Türken bei deutschen Jugendlichen einer Umfrage zufolge eher unbeliebt. Laut der Studie des Kriminologischen Forschungsinstituts Niedersachsen, aus der die „Süddeutsche Zeitung“ zitiert, gaben 40,9% der Türken an, sie fänden deutsche Nachbarn „sehr angenehm“. Umgekehrt sagten dies nur 9,2% der Deutschen über Türken in der Nachbarschaft. „Die Türken wünschen sich mehr Kontakt zu den Deutschen, aber die Deutschen zeigen ihnen die kalte Schulter“, sagte Christian Pfeiffer, der Leiter des Forschungsinstituts, der „Süddeutschen Zeitung“. Pfeiffer geht davon aus, dass auch schlechte Erfahrungen deutscher Jugendlicher mit türkischen Altersgenossen zu diesem Ergebnis beigetragen haben. „Es gibt eine Macho-Kultur, die hier Probleme macht“, sagte er.
Die Rede von Bundespräsident Christian Wulff zum Tag der Deutschen Einheit hat eine neue Integrationsdebatte entfacht. „Welt Online“ dokumentiert einige Auszüge aus dem Streit.
CSU-Chef Horst Seehofer: „Es ist doch klar, dass sich Zuwanderer aus anderen Kulturkreisen wie aus der Türkei und arabischen Ländern insgesamt schwerer tun. Daraus ziehe ich auf jeden Fall den Schluss, dass wir keine zusätzliche Zuwanderung aus anderen Kulturkreisen brauchen“.
Grünen-Chefin Claudia Roth: „Mit seiner unsäglichen und skandalösen Unterscheidung von guten und schlechten Migranten je nach Kulturkreis trägt er den sarrazinschen Rassismus und Sozialdarwinismus in die bundesdeutsche Spitzenpolitik“.
Grünen-Fraktionschefin Renate Künast: „Seehofer gibt mal wieder den Rechtspopulisten“.
Bundestags-Vizepräsidentin Petra Pau (Linke): „Was Bundespräsident Christian Wulff zueinander bringen wollte, treibt CSU-Chef Seehofer gegeneinander“.
Der Vorsitzende der Jungen Liberalen, Lasse Becker: „Manchmal habe ich den Eindruck, Seehofer stammt selbst aus einem anderen Kulturkreis“.
Hessens Innenminister Volker Bouffier (CDU): „Der Islam prägt unsere Gesellschaft und unser Staatsverständnis nicht annähernd so wie Christentum, Aufklärung und Humanismus. Der Islam gehört nicht zum Fundament unseres Landes“.
Hessens Innenminister Volker Bouffier (CDU): „Der Islam muss erst einmal den Herausforderungen eines säkularen Staates im 21. Jahrhundert gerecht werden und sich zu einer Religion wandeln, die mit der Moderne kompatibel ist“.
Bundesfamilienministerin Kristina Schröder (CDU): „Aber auch Deutschenfeindlichkeit ist Fremdenfeindlichkeit, ja Rassismus“.
16,3% der Türken sagten, sie fänden deutsche Nachbarn „angenehm“. 9% lehnten deutsche Nachbarn ab. Hingegen mögen mehr als 38% der Deutschen keine türkischen Nachbarn. 23,8% sagten, sie fänden sie „sehr unangenehm“, 14,3% „unangenehm“. Damit rangieren Türken der Erhebung zufolge auf dem letzten Rang der Beliebtheitsskala junger Deutscher – hinter Schweden, Italienern, Schwarzafrikanern, Juden und Osteuropäern. {Quelle: dapd}
Im Hinblick auf die Integration gilt laut Studie, dass diese bei jungen Muslimen umso niedriger ausfällt, je stärker sie im Islam verankert sind. Die nicht-religiösen unter ihnen haben zu 43,8% deutsche Freunde, sehr religiöse Muslime nur zu 21,6%. Nicht religiös gebundene islamische Migranten betrachten sich zu 49% als deutsch, sehr religiöse nur zu 15,5% – und dies obwohl sie zu 84,8% in Deutschland geboren sind. Bei christlichen Jugendlichen ist die Wechselwirkung zwischen Religion und Integration viel schwächer ausgeprägt und fällt zudem teilweise positiv aus. Die Studie deckt auch den Zusammenhang zwischen Integration und Gewaltbereitschaft auf. Türkische Jugendliche, die als niedrig integriert gelten, gehören zu 11% zu den Mehrfachtätern, die mit hoher Integration nur zu 1,5%. Befragt wurden 44.610 Jugendliche aus der neunten und 8000 aus der vierten Jahrgangsstufe. Im Juni hatte ein Forschungsbericht seines Instituts gezeigt, dass ein Viertel der befragten Nichtdeutschen schon einmal bewusst einen Deutschen beschimpft hatte, 4,7% hatten schon einmal einen Deutschen geschlagen.
{Welt online – Foto: AFP Beim Fußball vereint, im Alltag oft getrennt: deutsche und türkische Fußballfans}