vom Bischof Athanasius von Konstantinopel
(am 12 Tag des gesegneten Monates Bauna)
Prolog
Michael {Hebräisch: Wer gleicht dem Herrn?} ist einer der sieben Erzengel [Michael, Gabriel, Rafael, Souriel, Sedakiel, Sarathiel und Ananiel]. Sie sind Geister und haben keinen üblichen Körper wie die Menschen. Vor dem Thron Gottes stehen sie und er schickt sie zu den Menschen, um ihnen seine Botschaften zu bringen (Lk.1:19), und um denen zu helfen, die das Heil erben sollen (Heb.1:14). Im Buch der Offenbarung werden sie als „sieben Geister vor seinem Thron“ – „sieben lodernde Fackeln vor dem Thron“ bezeichnet (Off.1:4 – 4:5). Im Buch Tobit liest man: „Ich bin Rafael, einer von den sieben heiligen Engeln, welche das Gebet der Heiligen emportragen und mit ihm vor die Majestät des Heiligen Gottes treten“ (Tob.12:15).
Fünf Mal wurde der Name des Erzengels Michael folgendermaßen in der Heiligen Schrift erwähnt:
„Aber Michael, einer der Ersten unter den Engelfürsten“ (Dan.10:13)
„Keiner hilft mir außer euerem Engelfürsten Michael“ (Dan.10:21)
„In jener Zeit tritt Michael auf, der große Engelfürst, der für die Söhne deines Volkes eintritt“ (Dan.12:1)
„Als der Erzengel Michael mit dem Teufel rechtete und über den Leichnam des Mose stritt“ (Judas 9)
„Im Himmel entbrannte ein Kampf. Michael und seine Engel erhoben sich, um mit dem Drachen zu kämpfen“ (Off.12:7)
„Plötzlich entstand ein gewaltiges Erdbeben. Denn ein Engel des Herrn kam vom Himmel herab, trat an das Grab, wälzte den Stein weg und set-zte sich darauf. Seine Gestalt leuchtete wie ein Blitz“ (Mt.28 / Joh.20)
„Denn der Herr selbst wird vom Himmel herabkommen, wenn der Befehl ergeht, der Erzengel ruft und die Posaune Gottes erschallt. Zuerst werden die in Christus Verstorbenen auferstehen“ (1Thess.4:16)
Nun führen wir Ihnen das Wunder an, das Erzengel Michael mit Hl. Ophemia wirkte; aus einem antiken Manuskript.
Im Königreich des gottgefälligen Königs Anorius lebte ein edler Prinz namens Arstarchus. Dieser Mann war rechtschaffen und wirkte barmherzige Werke. Seine Frau hieß Ophemia und war fromm und keusch. Jenes tugendhafte Ehepaar gedachte den Armen und Bedürftigen. Beide erhielten die Gnade der Heiligen Taufe durch die Hand des Hl. Johannes Goldmund. Sie verehrten den Erzengel Michael und feierten sein Gedenken am Zwölften jedes koptischen Monats. Ebenfalls gedachten sie der Geburt Jesu Christi, des Herrn, am 29. eines jeden Monates.
Als der Herr erlaubte, dass der Prinz diese vergängliche Welt verließ und ins ewige Himmelreich wanderte, sagte dieser zu seiner Ehefrau: „Nun werde ich mich auf dem Pfad meiner Vorfahren begeben. Ich möchte dich daran erinnern, dass das beachtlichste Gebot aller Gebote Christi die Barmherzigkeit in Form von Almosen bleibt. Denn es wird gesagt, dass die Milde lohnender als Macht am Jüngsten Tag wird. Möge der Herr unser Gespräch bezeugen! Nichts sollst du von dem absetzen, was ich tat. Insbesondere sollst du jeden Monat das Gedenken des Erzengels Michael halten, zumal er für uns Fürbitte beim Herrn einlegt, damit Gott uns unsere Sünden und Verfehlungen vergibt“. Folglich entgegnete seine Frau: „So wahr der Herr lebt; ich werde gar nichts von dem vernachlässigen, was du erwähnt hast. Ich wünsche mir aber die Ikone des Erzengels auf einer hölzernen Tafel, welche ich in meinem Schlafzimmer hängen werde. Sie wird mich stärken, stützen und mich vor den Mächten des Feindes schützen. Denn ich werde mein Brot mit Seufzen und Tränen zu mir nehmen, wenn du mich verlässt. Ohne ihren Mann ähnelt die Frau einem Schiff, das ohne Kapitän ist, oder einem seelenlosen Leib. Diesbezüglich sagte der Apostel Paulus, dass der Mann das Haupt der Frau ist (Eph.5:23)“. Als ihr Gemahl dies von ihr hörte, wurde er äußerst glücklich. Prinz Arstarchus beauftragte einen begnadeten Maler, eine Ikone des ehrenvollen Erzengels Michael anzufertigen. Sie war mit feinem Gold und Juwelen verziert. Wo er jene Ikone erblickte, freute er sich derart. Er rief seine Gattin zu sich und händigte ihr sie aus. Die rechtschaffene Ophemia frohlockte und sagte zu ihrem Mann: „Noch eine Bitte solltest du mir erfüllen! Vertraue mich dem gütigen Erzengel Michael an, damit er mich bei Tag und Nacht und bis zu meinem Tod schützen wird“.
Als Prinz Arstarchus dies hörte, weinte er sehr bitterlich. Er erhob seine Augen in den Himmel und sagte dabei: „O du ansehnlicher Erzengel und mächtiges Oberhaupt der himmlischen Kräfte…du stehst jederzeit vor dem Herrn und legst Fürsprache für die Menschen ein. Du hast den Teufel in die Hölle gestürzt…ich vertraue dir meine Frau Ophemia an, damit du sie vor den Intrigen des Bösen beschützest und von jeder Not befreist“. Darüber freute sie sich sehr. Ihr Glaube an Gott und ihr Vertrauen auf seinen Vorsteher der himmlischen Kräfte und Heerscharen wurden gestärkt. Sie nahm die Tafel, auf der das Bild des Erzengels gemalt war. In ihrem Gemach hing sie jene Ikone und zündete eine Öllampe vor ihr, die bei Tag und Nacht nie erlösch.
Jeden Tag betete sie vor dieser Ikone zum Herrn, dass er sie durch die Fürsprache des Erzengels Michael erlöst und zu ihr in Zeit der Not eilt. Ihr Mann Arstarchus aber legte seine Seele in die Hand des Herrn. In der Kirche wurde eine Trauermesse für seine rechtschaffene Seele gelesen. Danach wurde er ehrenvoll beigesetzt. Ophemia hörte nie auf, sich über Waisen, Witwen, Fremden, Armen und Bedürftigen durch Almosen und Festmahle zu erbarmen. Dies tätigte sie im Namen des Erzengels Michael und zu seinem monatlichen Gedächtnis. Jedoch wurde der Feind des Guten zornig, als er die wohltätigen Werke dieser redlichen Frau sichtete. Daher erstrebte er, ihren Eifer zu vergeuden.
Eines Tages tarnte der Satan sich in der Gestalt einer Nonne. Er nahm vier falsche Nonnen mit und ging ins Haus der gerechten Ophemia. An der Tür klopften sie. Als eine der Mägde fragte, was sie wünschten, sagten sie ihr: „Teile deiner Herrin mit, dass eine Nonne in Begleitung anderer vier Nonnen erbittet, sie sehr dringend anzusprechen“. Nachdem die Magd ihre Herrin benachrichtigte, wurden den geist-lichen Gästen erlaubt, einzutreten. Als Ophemia sie empfing, fiel ihr ihre scheinheilige Demut auf. Sie saßen neben dem Gemach, in dem die Ikone des Erzengels Michael hing. Jedoch erkannte sie nicht, dass diese getarnte Nonne nichts anderes als der Teufel selbst war. Daraufhin sagte Ophemia: „Gehe, meine liebe Schwester, in mein Gemach hinein, und bete darin, damit es dadurch gesegnet wird. Ich versichere dir und der Erzengel Michael ist mein Zeuge, dass kein Mann es betrat, seitdem mein gerechter Mann zur seligen Ruhe ging“.
Der in der Gestalt einer Nonne getarnte Teufel stellte ihr die Frage, warum sie so handelte? Der Teufel fuhr fort: „Jeder Ort, in dem es keinen Mann gibt, verliert den Segen des Herrn. Wenn du das Wohlwollen des Herrn vom ganzen Herzen erlangen willst, würde ich dir einen guten Rat erteilen“. Ophemia fragte gespannt an, was dieser Rat sein möge? Die falsche Nonne beant-wortete ihre Frage mit den folgenden Worten: „Ich kenne einen heldenhaften Prinzen namens Herkolis. Dieser ist der Größte im Palast des Königs Anorius. Außerdem ist er mit mir verschwägert. Vor kurzem verstarb seine Frau, und als es ihm zu Ohren kam, dass dein Gemahl entschlief, hegte er den Wunsch, dich zur Frau zu nehmen. Er schickt mich zu dir und bietet dir prachtvolle Geschenke an. Dabei zeigte er ihr viel Gold, Juwelen und Perlen. Dies alles war definitiv nur eine intrigante Täuschung und gar nicht wahr“. Überlegt erwiderte die redliche Ophemia: „Ohne meinen Fürsorger kann ich gar nichts unternehmen. Egal, was er beschließt, setze ich um. Derzeit ist er in meinem Gemach und verweilt Tag und Nacht bei mir“. Als die getarnte Nonne dies hörte, griff sie Ophemia an: „Hast du nicht erwähnt, dass kein Mann dein Gemach betrat? Das heißt, dass du uns belogen hast. Es steht geschrieben: „Wer das ganze Gesetz hält und nur gegen ein einziges Gebot verstößt, der hat sich gegen alle verfehlt (Jak.2:10)“. Wenn du mir auch dein ganzes Vermögen geben würdest, lasse ich nun keineswegs zu, dass mein Schwager dich heiratet“.
Lächelnd und mit engelsfrommer Klugheit entgegnete Ophemia: „Ich habe nicht vor, einen anderen Mann zu haben, selbst wenn du mir alle Schätze dieser Welt zu Füßen legen würdest. Denn ich werde den Bund nie brechen, den ich mit meinen Gemahlen Arstarchus beschloss, damit ich lauter zum Herrn wie er gehen kann. Ferner sollst du wissen, dass mein Berater nicht von dieser vergänglichen Welt ist. Er ist einflussreich und erfährt die Gedanken eines Menschen. Wenn der Feind einen Menschen anfällt und ihn um seine Hilfe bittet, errettet er diesen Menschen sogleich. Wenn auch du magst, kann ich ihn bitten, dir Beistand am Tag deines Ausscheidens zu leisten“.
Folglich verlangte die verfälschte Nonne, diesen Berater zu sehen. Zu ihr sagte Ophemia: „Steh zuerst auf und schaue nach Osten. Bete zu Gott und bekenne ihm, dass du in deinen bösen Gedanken gegen mich und meinen Ratgeber gesündigt hast. Du sollst den Herrn um Vergebung bitten und ihm versprechen, an nichts Böses zu denken. Nachher werde ich dir erlauben, ihn zu erblicken“. Die getarnte Nonne äußerte Folgendes dazu: „Diejenigen, die mir diese Kutte anlegten, untersagten es mir, weder meine Hände zum Gebet zu falten noch Beköstigung zu mir außerhalb der Mauer meines Klosters zu nehmen“. Die gerechte Ophemia entgegnete: „Hast du nicht vorhin gesagt, dass wer eines der Gebote außer Acht lässt, verstößt er gegen sie alle? Überdies lehrt uns unser Heiland: „Ihr sollt allezeit beten und darin nicht nachlassen“ (Lk.18:1). Dazu sagte der Apostel Paulus: „Betet ohne Unterlass und dankt für alles“ (1Thess.5:17). Nun lass uns beten und dann stelle ich dir meinen Berater vor“. Als der Satan zusah, dass sie alle seine Ausreden austilgte und ihn in Verschämtheit brachte, zeigte er sich ihr in seiner beängstigenden Gestalt. Erschreckt schrie diese Tugendreiche: „O mein Herr, Oberhaupt der himmlischen Heerscharen…eile mir in meiner Not zur Hilfe. Du bist mein Behüter und Erretter von Attrappen des Bösen, nachdem mein Mann mich dir anvertraute“. Dabei bekreuzigte sie sich und sagte: „Im Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes, des einen Gottes; Amen“. Wie der Blitz löste sich der Teufel wie der Rauch schmählich auf.
Zu einer späteren Zeit zeigte er sich ihr als eine kohlenähnliche und riesige Gestalt. Einen Ziegenbart und krause Haare wie ein wildes Schwein hatte er. Seine Augen waren blutrot und er hielt ein gezogenes zweischneidiges Schwert in seiner Hand. Wo Ophemia ihn erblickte, erschrak sie sich dermaßen. Geschwind ging sie in ihr Gemach ein, um die Tafel mit dem Bild des Erzengels Michael zu holen. Sie hielt sie an der Brust und schrie: „O du, mächtiger Vorsteher der reinen Engelscharen…stehe mir bei und errette mich von diesem Ungeheuer“.
Vor ihrem Gemach blieb der Satan stehen und konnte wegen der Glorie des lauteren Erzengels Michael nichts anstellen. Schäumend brüllte er: „Was soll ich mit dir, keuscher Ophemia, tun? Ich kam zu dir als getarnte Nonne, um dich zu verführen und dich in die Irre zu führen. Jedoch scheiterte ich, weil du zu dieser Tafel gegriffen hast“. Dazu schrie er gedemütigt: „Bist du nicht derjenige, der mich im Himmel bekämpfte, mir meine Glorie und mein Zepter abnahm und mir Demütigung und Schande anlegte? Bist du nicht der, der meinen Platz und all meine Pracht nahm? Nun ließ ich Himmel und Erde und schwebe in der Luft, um den zu fangen, der meine List annimmt. Infolge zerre ich die Menschen durch Unzucht, Tratschen oder Überheblichkeit ins Verderben. Wenn ich einen Menschen nicht überwältigen kann, bekämpfe ich ihn mit Schläfrigkeit in der Kirche. Somit lasse ich nicht zu, dass er betet und um seine Erlösung bittet. Und nun Michael…deine Ikone zerbrach meine Macht. Tatsächlich hast du, Ophemia, mich durch dein Vertrauen auf Michael bezwungen. Ich gehe jetzt fort und werde zu dir in einer Zeit kommen, die du nicht kennst. Am 12. Bauna steht der Erzengel mit allen Engelscharen vor dem Thron des Allmächtigen. Sie erbitten ihn für das Wasser der Flüsse, die Tau und den Regen. Drei Tage verbringt er vor dem Gott Zebaoth kniend und flehentlich bittend, damit Gott sich über die Menschen erbarmt. Währenddessen komme ich mit meiner ganzen Kraft zu dir. Diese Tafel reiße ich dir aus den Händen und breche sie auf deinem Schädel. Sodann wird Michael dich aus meinen Händen nicht befreien können“.
Ophemia hielt die Ikone fest und jagte ihn damit fort. Vor ihr hastete er gedemütigt, bis er am Ende wegging. Weiterhin pflegte sie vermehrt Gebete und stetiges Fasten zu verrichten. Vor der Ikone des Erzengels Michael bat sie ihn, dass er für sie Fürsprache beim Herrn einlegte, damit Gott sie von der Gewalt des Teufels errettete. Als das Gedenken des Erzengels Michael bevorstand, das auf dem 12. Bauna fällt, besorgte die gesegnete Ophemia alle nötigen Opfergaben für die Feier. Am Morgen jenes Tages, und während sie zu Gott betete und ihn darum bat, dass er ihr gewährt, den reinen Erzengel Michael zu ihrem Helfer in ihren Bedrängnissen macht, damit sie ihren Dienst zweckmäßig zu Ende führt, kam der Teufel in Gestalt eines Engels zu ihr. Er hatte zwei Flügel, einen goldnen Gürtel und eine Krone auf seinem Haupt. In seiner Rechten hielt er einen Spiegel und in seiner Linken eine Fahne, auf der das Zeichen des Heiligen Kreuzes nicht stand. Als sie ihn erblickte, ergriff sie große Angst, sodass sie zu Boden fiel.
Der getarnte Engel hob sie hoch und sagte ihr: „Friede sei mit der vor Gott und seinen Engeln gesegneten Frau! Friede sei mit der Frau, deren Almosen und Opfergaben wie wohliger Weihrauch vor dem Herrn emporstiegen. Du sollst wissen, dass der Feind des Guten dich nicht mehr anzugreifen vermag. Ich stand vor dem Herrn und sah deine Gebete und Gerechtigkeit, welche wie die Sonne leuchten. Mich schickte der Herr zu dir, um dir dies mitzuteilen. Wenn du auf mich hörst, wirst du viel Nützlichkeit erlangen. Denn es steht in der Heiligen Schrift geschrieben, dass Gehorsam wohler als Darbringen der Opfer ist. Wer mir nicht gehorcht, widersetzt dem Herrn selbst“. Die fromme Ophemia entgegnete: „Du sollst wissen, dass ich dem Herrn ganz und gar übergeben bin“. Der arglistige Versucher sagte: „Der Herr erteilte mir den Befehl, dir mitzuteilen, dass du dein Vermögen zurücklegen und die Almosen und Wohltaten kürzen sollst. Dein Mann erbte schon das Himmelreich. Deswegen reicht aus, was du an Gebet und Fasten verrichtest. Wenn du unbedingt Wohltaten tätigen musst, soll das im geringen Maß sein, damit es dir nicht später an Geld mangelt, und damit der Böse dich nicht beneidet und deinen Besitz vernichtet. Hast du etwa nicht vom gerechten Ijob gehört? Er war barmherzig, was den Neid des Bösen erregte. Infolgedessen tötete er seine Kinder, vertilgte sein Vermögen und schlug ihn mit bösartigem Geschwür von der Fußsohle bis zum Scheitel. Auch Tobit machte er blind. Nun ist dein Mann Arstarchus gestorben, ohne dir Kinder zu hinterlassen. Du solltest einen anderen Mann heiraten und Kinder gebären, die dein Vermögen erben und den Namen ihrer Eltern tragen. Wenn du auf mich hörst, vermähle ich dich mit Prochus, dem Schwager des Königs Anorius“. Indessen erahnte die Tugendhafte, dass er der Teufel war. Sie sprach zu ihm: „Wo steht es geschrieben, dass Gott befehlt, die Almosen abzuschaffen, die Gaben zu kürzen, und dass die Frau zwei Männer heiratet? Jedes von Gott stammendes Buch motiviert die Gläubigen zur Unterwürfigkeit gegenüber dem Herrn, Beständigkeit, Verachtung der Welt und Ereifern bei Gebet, Fasten und Barmherzigkeit zu den Bedürftigen, so strebsam man kann“.
Sie setzte fort: „Will der Herr etwa auch, dass ich einen heidnischen Mann heiraten soll? Möge Gott diesen Gottlosen dem Christus zugewandten König Anorius zu Füßen legen. Dazu meinte der weise Salomo: „Die Turteltaube und auch der Rabe nehmen sich nur einen einzigen Gefährten“. Wenn der stimmlose und logiklose Vogel seinem Partner treu bleibt, um wie viel mehr soll sich der Mensch diesbezüglich verhalten, den der Herr nach seinem Abbild erschuf!?! Gott schenkte uns die Gabe, das Böse vom Guten und das Licht von der Finsternis unterscheiden zu können, damit wir nach seiner Huld gute Werke vollenden. Nach meinem Ehemann Arstarchus werde ich keinen anderen Mann heiraten. Solange ich am Leben bin, werde ich die Gaben und Almosen keinesfalls vernachlässigen. Und jetzt erläutere mir, wer du bist, und was diese Lichtflut ist, die dich umgibt“?
Darauf antwortete der Teufel ihr: „Ich bin Michael, das Oberhaupt der himmlischen Scharen. Ich wurde zu dir gesandt, um dich vor dem infamen Feind zu beschützen. Aus diesem Grunde sollst du, Ophemia, dich vor mir niederknien. Denn ich ließ die Engelscharen und eilte zu dir“. Die reine Ophemia erwiderte: „Gemäß der Heiligen Schrift erfuhren wir von der Versuchung Jesu. Als der Teufel vom Herrn verlangte, sich vor ihm niederzuwerfen, wies Christus ihn zurecht und sagte: „Vor dem Herrn, deinem Gott, sollst du dich niederwerfen und ihm allein dienen“ (Lk.4:8)“. Betrügerisch entgegnete der Teufel: „Woher soll der Satan solches strahlende Licht haben? Seitdem er dem Herrn widersetzte und mir, Michael, befahl, ihn von seiner Glanz zu entmachten, welche er mich anlegte“.
Folglich sagte sie ihm: „Wenn du tatsächlich der Erzengel Michael wärst, wo ist denn das Zeichen des Kreuzes, das auf deiner Fahne stehen sollte, wie es auf meiner Tafel abgebildet ist“? Verlegen sagte er ihr: „Der Künstler kann geschickt verkörpern. Das Zeichen des Kreuzes aber tragen nicht alle Engel“. Schlagfertig argumentierte Ophemia: „Wenn der König einen seiner Soldaten entsendet, um einen Dienst zu leisten, muss dieser Soldat den Siegel seines Herrn bei sich haben, ansonsten erkennt ihn keiner an! Um wie viel mehr soll das mit dem Führer der himmlischen Kräfte und Vorsteher aller Engelscharen? Wenn du willst, dass ich dir glaube, dass du Michael, mein Fürsprecher, bist, lass mich seine Ikone holen, damit du sie küsst und vor ihr kniest“. Als der Teufel sich von allen Seiten eingezwängt fand, blieb er wortlos! Geeilt holte Ophemia die Tafel, auf der Erzengel Michael abgebildet war. Als der Teufel jene Ikone sah, veränderte sich seine Gestalt jäh.
Wie ein Löwe fing der Teufel an, dröhnend zu brüllen. Auf Ophemia sprang er, hielt sie fest und erdrosselte sie. Indes sagte er ihr: „Wohin wirst du von mir diesmal flüchten? Seit langer Zeit beabsichtige ich dich bei Tag und Nacht zu fangen. Jedoch fand ich keinen Weg dazu. Heute ist das mir gelungen. Dein Beschützer, Michael, soll jetzt kommen, und dich von meiner Hand befreien“. Er quälte sie äußerst brutal, sodass sie beinahe leblos wurde. Tapfer schrie sie: „O mein Herr, ehrenhafter Michael, Oberhaupt der Engelscharen und mein Fürsprecher…eile mir zur Hilfe und errette mich“! Rasch kam der reine Erzengel Michael zu ihr. Er trug königliche Kleidung. In seiner Rechten hielt er ein goldenes Zepter, an dessen Spitze sich ein leuchtendes Kreuz befand. Vom Licht dieses Kreuzes, dessen Glanz die Sonne übertraf, wurde der ganze Raum erstaunlich erhellt. Als der Satan dies sah, jammerte er laut: „Erbarme dich über mich, ehrfü-rchtiger Erzengel Michael. Ich be-ging den Fehler, mich zu trauen, einen Raum zu betreten, in dem sich deine Ikone und dein Namen befinden. Ich will dich nur darum bitten, mich nicht verfrüht zu vernichten. Du weißt, dass der Schöpfer mir eine knappe Zeit auf Erden gewährt. Du warst der, der mich von meinem Glanz entehrte. Nun bin ich in großer Furcht vor dir. Vor Gott gelobe ich, dass ich nie wieder zu einem Ort zurückkehre, in dem sich dein Name befindet“. Dies äußerte der Satan, während der Erzengel Michael ihn in seinem Griff wie einen Spatz festhielt. Bevor er den Beelzebub geschändet vertrieb, züchtigte er ihn überaus peinigend. Dann wandte er sich Ophemia zu und sagte: „Sei stark und standhaft. Von nun an wird der Teufel dich nicht bezwingen können. Ich bin Michael, der Vorsteher der Engelscharen, der dich von deiner Kindheit an und bis zum heutigen Tag begleitet. Alles, was du vor meiner Ikone in deinem Gemach von mir verlangst, erfülle ich dir. Deine Gaben und Almosen, die du in meinem Namen darbringst, wurden vor dem Thron Gottes wohlig erwähnt. Ich bin Michael, der zu allen, die sich auf den Herrn verlassen, gesandt wird. Fürchte dich von nun an nicht! Dieser Betrüger hat keine Macht über dich. Vollende deinen Dienst und kümmere dich um das Fest, zumal es das Letzte wird, was du in dieser Welt bewirken wirst. Mit einer Engelschar werde ich zu dir kommen, um dich zu den Stätten der Ruhe zu führen, welche dein Gatte durch wohltätige Werke eignete“. Darauf segnete er sie mit dem Zeichen des Kreuzes und stieg glanzvoll in den Himmel empor, während die Heilige ihm mit ihren Blicken entzückt folgte.
Nachdem machte Ophemia sich auf und ging zur Kirche. Dort traf sie sich mit Bischof Antimus und berichtete ihm alles, was vorgefallen war. Als er dies erfuhr, pries er den Herrn und dankte dem lauteren Führer der Engelscharen Michael für seine fürsorgliche Fürbitte und Behilflichkeit. Als die Heilige Messe zu Ende zelebriert wurde, und nachdem sie den Leib und das Blut Christi zu sich nahm, bat sie den Bischof darum, in ihr Haus zu gehen. Er sollte Priester und Diakone mitbringen. Ihrer Bitte wurde Folge geleistet. In ihrem Haus empfing sie den Bischof fröhlich mit einem Niederwurf. Er richtete sie auf und sagte ihr: „Du bist eine gesegnete Frau vor Gott und den Menschen. Vor dem Thron vom Pantokrator stiegen deine Gebete als wohliger Weihrauch wie König Melchisedek von Salim (Hebr.5:6-10)“. Sie ließ den Bischof ihr Gemach betreten und bat ihm Platz an. Ihren Tresor öffnete sie und händigte ihm ihr ganzes Vermögen aus. Dabei sagte sie: „Nimm diese bescheidene Gaben an, und bring sie dem Herrn im Namen des Erzengels Michael dar. Die Zeit meines Ausscheidens aus dieser vergänglichen Welt ist baldig. Heute teilte der Erzengel mir dies mit“. Der Bischof nahm, was sie ihm anvertraute, in seine Zelle mit.
Ihren Knechten und Mägden schenkte sie die Freiheit. Am Tag auf den 12. Bauna verbreiteten sich wohlriechende Dufte und Weihrauch in diesem Haus. Inzwischen blieb der Bischof mitsamt den Priestern und Diakonen. Die tugendreiche Ophemia richtete sich nach Osten und sagte zum Bischof: „Um des Heiligen Namens des Herrn willen bitte ich dich, dass du für mich betest, damit Gott mir den Weg zu ihm ebnet. Denn meine Stunde ist da. Ich sehe den Erzengel Michael und mit ihm den Prinzen Arstarchus, meinen Ehemann, auf mich zukommen“. Dann bekreuzigte sie sich und der Bischof spendete ihr die Absolution. Darauf grüßte sie alle Anwesenden und erbat alle, dass sie ihre Wenigkeit in ihren Gebeten einschließen. Die Ikone des Erzengels Michael küsste sie mit den Worten: „Stehe mir in dieser schwierigen Stunde bei“. Allen Anwesenden offenbarte Gott die Ankunft des Erzengels. Seine Augen strahlten stärker als die Sonne. In seiner Rechten hielt er eine Posaune, die mit dem Zeichen des Kreuzes versehen war. Bei sich hatte er eine Kreisform, welche einem Gespann ähnelte. Ein majestätisches Gewand kleidete ihn. Als wir diese Szene erlebten, fielen wir vor lauter Furcht zu Boden, meinte der Bischof.
Erzengel Michael breitete seinen Umhang aus, und nahm drinnen die Seele der gesegneten Ophemia auf. Da hörten wir den Lobpreis und das Jauchzen der Engelscharen, während sie die Seele dieser Rechtschaffenen ins Paradies der Freude begleiteten. Somit entschlief Heilige Ophemia am Tag zum 12. Bauna. Würdevoll kümmerten wir uns um ihren Leichnam. Wir bestatten und segneten ihn durch lange Gebete. Dann wurde er in der Nähe von der Kirche beigesetzt, und zwar neben ihrem biederen Mann Arstarchus. Als wir danach den Altar betraten, fanden wir die Tafel hängen, auf der die Ikone des Erzengels abgebildet war. Oberhalb des Alters hing sie von keiner Menschenhand. In Jubel brach die Menge aus und huldigte dem einzigen Gott, dem Herrn des Erzengels Michael. Dieses Wunder sprach sich überall herum, sodass die Nachricht die zugewandten Christi Anorius, Arkadius und Königin Adoxia erreichte. Sie machten sich auf, und pilgerten zu dieser Kirche, wo sie jene Ikone im Altar hängen sahen. Ebenso wurden sie Zeugen der zahlreichen Wundertaten, die dadurch geschahen.
Aus Olivenholz wurde diese Tafel angefertigt. Sie spross auf und brachte Zweige. Zahlreiche Menschen kamen aus allen Ortschaften, um dieses Phänomen zu besichtigen und sich davon Segen zu holen. In der Stadt lebte eine Frau, die an Magengeschwür litt. Sie verlor ihr ganzes Hab und Gut an den Ärzten und Medikamenten und wurde trotz allem nicht geheilt. Sie nahm sich einige Blätter von diesem Gewächs und kaute sie. In demselben Moment wurde sie gesund. Zu dieser Kirche kam ebenso ein Mann, der an einem Gehirntumor litt. Mit dem Öl der vor der Ikone hängenden Öllampe salbte er seine Stirn. Sogleich wurde er von seiner Krankheit völlig geheilt.
Wahrhaftig bist du, Erzengel Michael, derjenige, der für das Menschengeschlecht Fürbitten einlegt. Die Reihen der Märtyrer, Heiligen, Asketen und Bekenner freuen sich heute mit uns anlässlich der Gedenkfeier des glorreichen Führers der Engelscharen des Allmächtigen. Die Welt ist intakt durch deine anerkannte Fürbitten und Gebete, die du vor dem Thron des Herrn darbringst. Für das Wasser der Flüsse und das Steigen des Nils, der Erde, Pflanzen und Früchte glücken lässt, legst du beim Herrn Fürbitten ein. Dasselbe tust du für den Frieden der rechtgläubigen Kirche und Verankern der apostolischen Berufung.
Durch die Gebete und Fürsprache der Mutter Gottes – der unbefleckten Jungfrau Maria – und die Fürbitte des Vorstehers der Engelscharen Michael bitten wir den barmherzigen Herrn, uns unsere Sünden zu vergeben, und dass er jedem seine Mühe nach seiner Wohlhabenheit vergilt, der dazu beitrug, dieses Büchlein zu publizieren.
Umkehr:
Ich habe vor allem die unbegreifliche Güte und Langmut erwogen, mit der Gott mich so väterlich in meinen Sünden ertragen, so oft und liebevoll zur Umkehr eingeladen, so langmütig auf meine reuige Buße gewartet hat, bis zu diesem… Jahr meines Lebens trotz all meiner Undankbarkeit, Unredlichkeit und Untreue.“
Wenn man fündig wird.
Erzengel Michael gilt als der mächtigste Erzengel, dessen Name „Wer ist wie Gott“ bedeutet (abgeleitet aus dem hebräischen ‚Mikha-el’). Er ist wohl der bekannteste unter allen Engeln und Erzengeln. Nach christlicher Überlieferung war es Michael, der Daniel aus der Löwengrube errettete und der Engel im brennenden Busch, mit dem Moses kommunizierte. So gilt er als Unterstützer und Erretter aus Gefahrensituationen, und ist als solcher, als der kraftvollste und bedeutsamste Schutzengel bekannt. Auch nach dem Tot spendet Erzengel Michael Schutz und trägt die Seelen der Verstorbenen sanft ins Himmelreich.
Michael ist auch als Engel des Rechts und der Gerechtigkeit bekannt, und wird häufig mit zwei Waagschalen dargestellt. In dieser Funktion dient er der Wahrheitsfindung, und kann uns aus der Selbstverleumdung herausführen. Dabei holt er uns am Ende des Erkenntnisweges sanft ab, und hilft uns mit der gefundenen Wahrheit umzugehen.
Er kämpft seit jeher, für und mit uns, gegen das Böse, und wird passenderweise oft mit Schwert und Rüstung dargestellt. Das Schwert von Erzengel Michael ist ein Symbol für die klare Kraft der Liebe in dem Sinn wird er auch „Vollstrecker Gottes“ genannt. Erzengel Michael hilft, wenn wir den Himmel aus den Augen verloren haben. Durch seine aufrüttelnde Art bringt er uns wieder auf den richtigen Weg. Dieser Rückweg wird nie abgeschnitten und er hält ihn uns immer offen