kopten ohne grenzen

Durch Gebet und Wort für verfolgte Kopten

Koranschulen-Film – Wo Kinderseelen gebrochen werden 6. Mai 2010

Filed under: Reportagen — Knecht Christi @ 12:57

Hier steht Unterwerfung auf dem Lehrplan: Eine herausragende ZDF-Dokumentation dringt tief in das tyrannische System der Koranschulen ein. Selbst die allerjüngsten Schüler versinken dort in Apathie – auch Aussteiger sind für ihr Leben gezeichnet.

       Es ist ein Bild aus Abertausenden von Punkten, das sich für Shaheen Dill-Riaz einfach nicht zusammenfügen will. Er blickt mit seiner Kamera hinunter auf ein Meer von Männern, die durch seine Geburtstadt Dhaka drängen, die Hauptstadt Bangladeschs. Die Punkte sind die weißen Kappen, die die Männer als Zeichen ihrer Frömmigkeit tragen. Sie sind Anhänger der sunnitisch-orthodoxen Glaubensgemeinschaft Tabligh-i Jamaat, welche in den vergangenen Jahren in Bangladesch viel Zulauf erfahren hat. Sehr viel Zulauf. Woher kommt die neue Religiosität, woher der scheinbar unbegrenzte Nachwuchs an Gläubigen? Dokumentarfilmer Dill-Riaz lebt seit 18 Jahren in Deutschland und kann sich diese Fragen nicht selbst beantworten.

       Er fängt an, sich in seiner Familie und im Bekanntenkreis umzuhören. Hier wird ihm vor allem eine Erklärung geboten: Die Madrassen, die Koranschulen, seien die Quelle der Islamisierung. Also macht sich Dill-Riaz auf, um in Madrassen zu filmen. Eigentlich eine unmögliche Mission, denn es gilt das Bilderverbot des Islam. Doch durch persönliche Kontakte kann Dill-Riaz schließlich mit jenen sprechen, die seinem herausragenden Film später den Titel verleihen werden: den Korankindern.

Billig und tyrannisch: Seit seinem Debütfilm „Sand und Wasser“ von 2002 gehört Shaheen Dill-Riaz, Jahrgang 1969, zu den interessantesten und gefeiertsten Dokumentarfilmern seiner Generation. Mit „Eisenfresser“, einer Langzeitstudie über Wanderarbeiter in Bangladeschs Werften, triumphierte er dieses Jahr bei den Grimme-Preisen. In hochpoetischen Bildern entwirft er in dem Film das Panorama einer ebenso archaischen wie hochmodernen Ausbeutung: Für einen Hungerlohn legen Arbeiter aus dem Norden an den Werften im Süden riesige Kreuzer und Dampfer auseinander – nur um am Ende auch noch um das wenige Geld gebracht zu werden, das sie in den Monaten ihrer Tortur verdient haben.
 
Der Blick eines gebürtigen Bangladeschers auf das Land, das die längste Zeit seine Heimat gewesen ist, macht auch „KoranKinder“ so sehenswert. Keine Anklage liegt in Dill-Riaz‘ Fragen, wenn er mit seinen Interviewpartnern über die wachsende Islamisierung des Landes spricht – sondern Sorge. Dill-Riaz bezeichnet sich selbst als gläubigen, wenn auch nicht besonders religiösen Moslem, den vor allem die Perspektivlosigkeit vieler Bangladescher erschreckt. Denn eine der Erklärungen dafür, warum die Koranschulen immer beliebter werden, ist erschreckend einfach: Die Ausbildung kostet nichts. Ein Kind auf eine Madrassa zu schicken, ist für viele Eltern das bequemste – und günstigste. Von den rund 90.000 Schulen im Land sind nur rund 10.000 Madrassen. „Eine überschaubare Minderheit“, sagt Dill-Riaz. Trotzdem ist ihr Einfluss stark, denn in religiösen Familien ist der Wunsch groß, mindestens einen „Hafiz“ in ihren Reihen zu haben. Hafize können alle Suren des Korans auswendig vortragen. Diese Fähigkeit ist bei Familienfeiern und sonstigen Feiertagen gefragt, denn ein Hafiz gilt als reinigende Kraft, der Unheil abwendet. Und so werden schon die kleinsten Jungen in die Madrassa geschickt, um die Belohnung der eigenen Familie im Jenseits zu sichern.

Unterwerfung unter eine Aufgabe: Nicht nur das Gewicht dieser Aufgabe lastet auf den schmalen Schultern der Jungen in den hellen Gewändern mit den weißen Kappen. Es ist vor allem der eintönige Unterricht, der ihnen jede Freude raubt. Über Jahre hinweg sind ihre Stunden mit dem Auswendiglernen des Korans gefüllt. Noch bevor viele ihre Muttersprache Bengali in Wort und Schrift beherrschen, müssen sie die Schrift im komplizierten Arabisch erlernen – egal ob sie dafür die intellektuellen und entwicklungspsychologischen Voraussetzungen erfüllen. In einem der bestürzendsten Momente fragt Dill-Riaz einen kleinen Jungen, wie lange er schon die Madrassa besucht. „Ein Jahr“, antwortet er. Und wie viel er schon vom Koran auswendig könne? „Vier Seiten“. Kein Spiel, kein Ausgleich ist an den Madrassen für die Jungen vorgesehen. Sie sind apathisch, haben kaum mehr Kraft für Heimweh, in den wenigen Auszeiten möchten sie am liebsten nur schlafen.

Dill-Riaz hat auch mit erwachsenen Madrassa-Abbrechern gesprochen. Doch statt Kraft daraus zu schöpfen, dass sie der Tyrannei entkommen sind, sind auch sie gebrochen. Das erste, was ihnen die Madrassa genommen habe, sei die Lust am Lernen, sagen sie. Fast keiner von ihnen hat einen Job oder eine Ausbildung. Auch der Ausstieg ist kein Ausweg. Man spürt, dass die Wut von Dill-Riaz wächst, je länger er sich mit dem System Madrassa beschäftigt. Er gleicht die Wut mit scheinbar ruhigen, neutralen Bildern aus, mit Szenen aus dem Unterricht oder vorm Zubettgehen. Doch in allen schwingt die Aggressivität der Institution mit, die nur die Unterwerfung unter die eine Aufgabe kennt – das Auswendiglernen des Korans. Zum Schluss sehen wir wieder die Tabligh-i-Jamaat-Kundgebung. Das Wuseln der weißen Kappen ergibt jetzt ein schlüssigeres Bild. Aber eigentlich ist es jetzt noch verstörender.

 

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